Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
blickte sie mir in die Augen; die grünen und goldenen Splitter funkelten. »Ich wollte dich nicht zu früh an all das erinnern, was du hier bei mir vergessen hast.«
    »Wenn ich nicht bei dir alles andere vergäße, wäre ich ein Trottel«, sagte ich. »Und wenn ich woanders auch nur das geringste von dir vergäße, wäre ich ein Esel. Da du mich erträgst, kann ich kein Esel sein, und …«

    »… und Trottel sind alle Männer«, sagte Meister Giovanni, »alt oder jung. Vor allem dann, wenn sie glauben, Frauen verstehen oder Kriegen entgehen zu können.« Er seufzte. »Ich bin jetzt sechzig. Als ich achtundzwanzig war, hat dieser Krieg angefangen und seitdem immer nur kurz Pause gemacht, und jedes Mal habe ich geglaubt, es wäre keine Pause, sondern ein Friede.«
    1494 hatte Charles VIII., König von Frankreich, Italien zu erobern versucht; eine aus Spanien, Österreich, italienischen Stadtstaaten und England bestehende Liga schlug die Franzosen zurück. Charles’ Nachfolger Louis XII. versuchte es ebenfalls und besetzte 1500 Mailand; seither hatte der Krieg eigentlich nie geendet - geändert hatten sich lediglich die Allianzen und die Namen der Herrscher. Italienische Staaten verbündeten sich mal mit der einen, mal mit der anderen Großmacht; Spanier, Schweizer, deutsche Landsknechte, Franzosen, Engländer zogen durchs Land; Frankreichs König François I. verbündete sich mal mit dem Papst, mal mit den Türken. 1525 nahm das vor allem aus Spaniern und den deutschen Landsknechten des Georg von Frundsberg bestehende kaiserliche Heer in der Schlacht von Pavia François gefangen und rieb das französische, durch Schweizer Söldner verstärkte Heer fast völlig auf. François wurde nach Spanien gebracht, als Karls Gefangener, und im Januar 1526 unterzeichneten beide den Frieden von Madrid: Frankreich verzichtete auf Mailand, Genua, Flandern, Artois und Burgund. Kaum war François frei, widerrief er den Friedensvertrag, der ihm aufgezwungen worden sei; und auf Betreiben des Papstes - inzwischen war dies Clemens VII. - bildeten Frankreich, Mailand, Florenz, Venedig und der Kirchenstaat die Liga von Cognac.
    »Und dein Landsmann Georg, der Frundsberg, stellt gerade
wieder ein Heer aus Landsknechten auf, das für den Kaiser die Lombardei schützen soll«, sagte Avram zum Schluß seiner Ausführungen.
    Etwas in seiner Miene und in seiner Stimme ließ mich nachfragen. »Du klingst, als wäre das noch nicht alles. Was denn noch? Nicht, daß es nicht mehr als genug wäre.«
    Avram kratzte sich den Kopf. »Ich zaudere«, sagte er.
    »Warum zauderst du? So, wie du grinst, kann es kein nachhaltiges Zaudern sein, oder?«
    Avram lachte, wurde jedoch sogleich wieder ernst. »Eine Gesandtschaft des Papstes wird morgen oder übermorgen Venedig erreichen. Ich habe sie gesehen.«
    »Wo? Sind sie schon da? Du warst doch gar nicht in Venedig«, sagte Laura.
    »Ich habe sie auch nicht ganz gesehen, nur einen Teil - ein paar Soldaten vom Geleit, außerhalb von Padua. In Padua macht die Gesandtschaft ein paar Tage Rast und wartet auf einen Boten von François.«
    »Was ist mit ihnen?«
    »Du wirst es nicht gern hören.« Avram kniff die Augen zusammen; dann zuckte er mit den Schultern. »Oder vielleicht doch, je nachdem, wie du dich gerade fühlst.«
    Ich nickte. »Nein, oder vielleicht doch, aber möglicherweise keineswegs, falls nicht anders - was willst du mir sagen oder vielleicht nicht?«
    »Einer der Hauptleute, die den Gesandten begleiten, könnte dein besonderer Freund Giambattista Piranesi sein.«
     
    Meister Giovanni ging bald. Mit der Behauptung, er sei müde, verzog sich Avram gleich darauf in sein Zimmer.
    Für Laura und mich wurde es eine lange weiße Nacht.
Zwischendurch gab es etwas, das ich nicht Liebe nennen mag, eher einen verzweifelten gegenseitigen Angriff; der Rest waren Reden, Fragen, Nachfragen, Vorwürfe. Und Laura war nie schöner als in jener Morgendämmerung, da sie neben mir lag, auf den rechten Ellenbogen gestützt, die Honigkaskaden des Haars über Schulter und Brust. Schön wie ein geschliffenes Schwert. Als es mir das Herz schlitzte, als ihre Augen Leid sprühten und dabei trocken blieben, hätte ich gern geweint.
    »Warum hast du mir all das nicht längst gesagt?«
    »Dann hätte ich daran denken müssen. Seit ich dich gesehen habe, wollte ich nicht mehr daran denken.«
    »Kleine Kinder machen die Augen zu und meinen, dann sieht man sie nicht mehr und das, was sie gestört hat, ist weg. Ich dachte, du

Weitere Kostenlose Bücher