Die Rache des Marquis
irgendwie mit Jades Vater zusammen. Ich will mich mal über die Lebensgeschichte des Grafen von Wakerfield informieren. Richards wird mich sicher dabei unterstützen.«
Caine wollte widersprechen, dann besann er sich anders.
»Das kann nicht schaden. Aber ich überlege, ob nicht Jades Bruder hinter alldem steckt. Er fuhr nach London, um einem Freund aus irgendwelchen Schwierigkeiten herauszuhelfen. So fing es an.«
»Falls wir Jades Geschichte für bare Münze nehmen können.«
»Ja.«
Lyon seufzte laut auf. »Eine Frage muß ich dir noch stellen – Traust du ihr?«
Nachdenklich starrte Caine ihn an. »Wenn wir die bizarre Situation nach logischen Maßstäben beurteilen …«
»Ich baue eher auf deine Instinkte.«
Nun grinste Caine, weil er zum erstenmal im Leben seinen Verstand völlig außer acht ließ. »Ich vertraue ihr rückhaltlos, obwohl ich dir keinen einzigen vernünftigen Grund dafür nennen kann.«
»Ich vertraue ihr auch«, erwiderte Lyon lächelnd. »Und zwar, weil du ihr vertraust. Deine Instinkte irren sich nie. Ich wurde schon mehrmals gerettet, weil ich auf dich gehört habe. Christina habe ich von Anfang an vertraut, wenn sie mir auch einige Rätsel aufgegeben hat. Und nun stehe ich auch auf ihrer Seite. Manchmal vertritt sie einen etwas ungewöhnlichen Standpunkt, aber diesmal hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen.«
»Was meinst du?«
»Mein guter Freund, ich glaube ebenso wie meine Frau, daß du deinem Schicksal begegnet bist. Gott helfe dir – du mußt deine Rätsel erst noch lösen.«
7
Die Damen warteten in der Halle auf Caine und Lyon. Zwischen ihnen auf dem Boden stand eine große, weiß und grau gesprenkelte Reisetasche.
Caine versuchte sie hochzuheben, dann schüttelte er den Kopf. »Um Himmels willen. Nicht einmal ein Pferd könnte dieses Gepäck tragen.« Er kniete nieder, öffnete die Tasche und schaute hinein, dann stieß er einen leisen Pfiff aus. »Ein ganzes Arsenal! Wer hat das eingepackt?«
»Ich«, antwortete Christina. »Nur ein paar Waffen, die Jade vielleicht brauchen wird, um euch beide zu schützen.«
»Jade? Uns beide?« Ungläubig schaute er auf. »Lyon, versucht deine Frau mich zu beleidigen?«
Lyon nickte lächelnd. »Gewiß, Caine. Also entschuldige dich, damit wir’s hinter uns bringen.«
»Wieso um alles in der Welt soll ich mich entschuldigen?«
»Weil es uns Zeit erspart.« Lyon bezwang seinen Lachreiz, und Caine blinzelte verwirrt.
»Hat dir die Ehe den Verstand geraubt?«
»Nur zum Teil.«
Caine begann, die überflüssigen Gegenstände aus der Tasche zu nehmen. Während die beiden Frauen bestürzt nach Luft schnappten, warf er mehrere lange Dolche, zwei Pistolen und eine gefährlich aussehende Eisenkette auf den Boden. »Das Zeug brauchst du nicht, Jade. Außerdem bist du viel zu feige, um es zu benutzen. Deshalb bleibt es hier, meine kleine Kriegerin.«
»Wie du meinst. Aber heb dir diese seltsamen Kosenamen für die anderen Frauen in deinem Leben auf. Ich bin weder deine Süße noch deine kleine Kriegerin. Ach, schau nicht so unschuldig drein, Caine! Christina hat mir alles über deine Liebhaberinnen erzählt.«
Er befaßte sich immer noch mit dem ersten Teil ihrer Äußerung. »Kleine Kriegerin’ ist also deiner wirren Auffassung nach ein Kosename?«
»Allerdings, du ungehobelter Kerl! Ich werde keine Entschuldigung von dir verlangen, nachdem du meine Gedankenwelt als wirr bezeichnet hast. Das ist dir wahrscheinlich nur herausgerutscht, weil du dich immer noch über dein abgebranntes Haus ärgerst.«
Caine verzichtete darauf, die Stirn zu runzeln, und schloß die Reisetasche. »Vielen Dank für deine Mühe, Christina, aber vielleicht wirst du die Waffen benötigen, um Lyon zu beschützen. Komm jetzt, Jade.« Er nahm die Tasche in die eine Hand und Jades Arm in die andere.
Der harte Griff tat weh, doch das störte sie nicht. Sie freute sich viel zu sehr über ihre brillante Geschichte, die Caine überzeugt und gleichzeitig auch durcheinandergebracht hatte. Wie seine verkrampften Kinnmuskeln andeuteten, war er derzeit nicht in der richtigen Stimmung für eine vernünftige Diskussion, und so ließ sie sich zum Hinterausgang führen. Lyons Stallknecht hatte zwei Pferde gesattelt.
Christina umarmte Jade und flüsterte: »Gute Reise.«
Nachdem Caine die Reisetasche am Zaumzeug seines Hengstes befestigt hatte, half er Jade auf das andere Pferd. Sie folgte Caine zum hinteren Hoftor, wo sie zu ihren Gastgebern zurückblickte.
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