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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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diese Geistergeschichte! Du jagst den Leuten Angst ein.«
    Der Zeitungsverkäufer ließ nicht locker. »Es ist mein Beruf, meinen Kunden diese Nachricht zu über …«
    Sano griff an sein Schwert, und der Zeitungsverkäufer flitzte zur Tür hinaus. Doch der Schaden war angerichtet. Im Laden breitete sich Stille aus, und die Verkäufer und Kunden starrten Sano an. Er sah das Erkennen auf ihren Gesichtern und hörte, wie sein Titel geflüstert wurde. Dann stürmte die Menge, die sich auf der Straße versammelt hatte und nun auf Sano aufmerksam geworden war, in den Laden hinein. Mit einemmal sah er sich von verängstigten Gesichtern umgeben und spürte, wie Hände nach ihm griffen. Hysterische Stimmen gellten.
    »Diese Morde ruinieren mir das Geschäft … Banden treiben sich auf den Straßen herum … für zwei sen mache ich eine Geisteraustreibung … haltet diesen Unhold auf, bevor er uns alle tötet!«
    Voller Zorn erkannte Sano, daß er plötzlich im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stand, so daß im Hinokiya-Stoffladen keine verdeckten Ermittlungen mehr möglich waren.
    Sano beschloß, es in einem der anderen Geschäfte Matsuis zu versuchen. Er hoffte, seine Tarnung diesmal lange genug aufrechterhalten zu können, um Antworten auf seine Fragen zu bekommen.
    »Verschwindet!« rief er.
    Doch die Menge drängte ihn weiter in den hinteren Teil des Ladens. »Bitte, rettet uns!«
    Sano sah, wie Verkäufer hastig die Waren forträumten, um sie in Sicherheit zu bringen, während andere Bedienstete vergeblich versuchten, die Eingangstüren zu schließen, um den Zustrom der Menge abzuschneiden. Plötzlich rief eine wütende Männerstimme: »Was geht hier vor? Raus mit euch! Auf der Stelle!«
    Die Schreie der Menge verwandelten sich in Kreischen und Jammern. Körper flogen auf die Straße, als die ungebetenen Gäste von zwei riesigen, brutalen Samurai aus dem Laden geschleudert, getreten und geschubst wurden. Nach wenigen Augenblicken krachten die Schiebetüren zusammen; der Hinokiya-Stoffladen war leer bis auf die Angestellten, Sano – und den Mann, den auszuspionieren er gekommen war.
    Matsui Minoru. Der Mann, dessen Geschäftsimperium das ganze Land umspannte. Flankiert von den zwei rōnin , die als seine Leibwächter dienten, welche Minoru überallhin begleiteten und den Laden auf seinen Befehl hin leergeräumt hatten, stand der Geschäftsmann da. Er war eine faszinierende und widersprüchliche Verkörperung von Eigenschaften, die sowohl den Händler als auch den Samurai ausmachten.
    Sein runder Glatzkopf, die vollen Wangen und die Augen, die sich zu Schlitzen verengten, als er Sano anlächelte, hätten jedem wohlgenährten gemeinen Bürger mittleren Alters gehören können. Er trug einen Baumwollkimono, der mit braunen, schwarzen und cremefarbenen Streifen gemustert war und vermutlich aus den billigeren Kleiderbeständen des Hinokiya stammte. Matsui war mittelgroß und besaß einen untersetzten, aber straffen Körper; Schultern, Hals und Arme waren dick und muskulös und ließen erkennen, daß dieser Mann sein Leben damit verbracht hatte, schwere Sakefässer und Stoffballen zu stemmen.
    Matsui verbeugte sich. »Nun, sōsakan-sama? Macht Ihr eine Atempause von der Arbeit, um in meinem bescheidenen Laden einzukaufen?«
    Sein durchdringender Blick, seine ganze Haltung straften sein freundliches Gebaren Lügen und verrieten Stolz, ja Überheblichkeit. An den Aufschlägen und dem Saum seines Kimonos war ein prächtiges Futter aus Seide zu sehen: Eine geschickte Umgehung der Luxusgesetze, die gemeinen Bürgern das Tragen von Seide untersagten. Matsui besaß die ruhige, gelassene Ausstrahlung eines Samurai, was den zwei Schwertern, die er trug, einen Anstrich von Echtheit verlieh – wie es bei Kaufleuten, die Waffen als Statussymbole trugen, für gewöhnlich nicht der Fall war. Überdies war allgemein bekannt, daß Matsui einen privaten kenjutsu-Meister beschäftigte, der ihn in den Waffenkünsten unterwies. Matsui machte den Eindruck eines Mannes, der sich im Grenzbereich zweier gesellschaftlicher Klassen bewegte.
    War es auf einen inneren Konflikt zurückzuführen, daß dieser ehemalige Samurai sich nach den schlichteren, edleren Tagen seiner Ahnen sehnte? Daß er General Fujiwaras tödliche Mission fortführen wollte? Während Sano sich eine Antwort zurechtlegte, betrachtete er den Kaufmann eingehend. Trotz der freundlichen Begrüßung wußte dieser durchtriebene und intelligente Mann mit Sicherheit, weshalb

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