Die Rache des Samurai
die Rollen getauscht; er, Yanagisawa, war der dominierende Partner geworden. Seither hatte niemand mehr ihn, Yanagisawa, genommen. Nun war er derjenige, der sich seine Partner nahm.
Shichisaburōs Schreie wurden zu einem kläglichen Wimmern, und sein Körper erschlaffte, was Yanagisawa zu neuen, schier unerträglichen Höhen der Lust trieb, doch er hielt sich zurück und wartete auf die allerletzte Antwort, die der Körper des Jungen ihm geben würde – jene Antwort, die den Gipfel des Rituals darstellte.
»… bitte …«, flehte der Junge unter Tränen.
Yanagisawas erregte Spannung löste sich in einer gewaltigen Explosion schierer Lust, und er schrie seinen sexuellen Höhepunkt hinaus. Doch wie stets verspürte er zugleich mit der Lust ein Gefühl des Triumphs, das unendlich befriedigender war als jede körperliche Empfindung.
Nie wieder würde jemand ihn beherrschen, bestrafen oder ihn jene Demütigung erleiden lassen, die er mehr fürchtete als alles andere. Er war es, der andere beherrschte, bestrafte und erniedrigte.
Und wehe denen, die ihm beim Aufstieg zur Macht im Weg standen. Eines Tages würde er über dieses Land herrschen – wenn nicht als Shōgun, so doch auf eine andere Weise. Niemand würde ihn jemals wieder zu dem machtlosen Opfer herabwürdigen, das er einst gewesen war.
Vor allem nicht sōsakan Sano Ichirō, den er vernichten mußte – und würde!
20
D
er Stoffladen Hinokiya – eines der bekanntesten Geschäfte Edos und das Herzstück des Handelsimperiums von Matsui Minoru, einem der Verdächtigen auf Noguchis Liste – befand sich in dem neuen Händlerviertel im Norden Nihonbashis. Sano folgte der Hauptstraße in dieses Viertel und trieb sein Pferd den steilen Weg zum Hügel Suraga hinauf, der für die prachtvolle Aussicht auf den Fujiyama berühmt war, welche sich von seiner Kuppe bot.
Um Sano herum wimmelte es von Lastenträgern; sie brachten Waren zu den Geschäften, welche die breite Durchgangsstraße säumten, oder holten sie von dort ab. Lebensmittelhändler schwankten unter der Last der schweren Körbe, die sie auf dem Rücken trugen; Wasserverkäufer schwangen ihre Eimer; Kunden eilten zwischen den Läden umher. Doch dieser vertraute Anblick hatte diesmal nicht die gewohnt beruhigende Wirkung auf Sano.
Als er über die Straße ritt, lag seine Hand ständig am Schwertgriff, seine Blicke huschten mißtrauisch in die Runde, und er verspürte ein wachsendes Unbehagen. Noch immer drohte ihm Gefahr – immer und überall. Als Sano sich angespannt und wachsam umsah, stellte er fest, daß die Nachricht von der Ermordung des Mönches sich schneller verbreitet hatte als sein öffentlicher Aufruf, Ruhe zu bewahren.
Zeitungsverkäufer riefen: »Holt euch die neuesten Nachrichten! Nach der Ermordung eines hatamoto , eines rōnin und eines Eta hat der Geist nun einen heiligen Mann abgeschlachtet! Niemand ist mehr sicher!«
Und die Unruhen in der Stadt waren offenbar schlimmer geworden: »Acht Samurai betrunken bei Zweikämpfen getötet!« riefen die Nachrichtenverkäufer. »Zwanzig Bürger bei Straßenschlägereien verwundet!«
Die Kunden rissen den Zeitungsverkäufern die Blätter förmlich aus den Händen. Gespannte Zuhörer drängten sich um einen Geschichtenerzähler, der über die Morde berichtete und sie mit melodramatischen Worten und Gesten ausschmückte. Seher und Wahrsagerinnen saßen stöhnend und jammernd vor ihren Kerzen und Weihrauchschalen und versuchten, die Geister der Opfer herbeizurufen oder den Schutz der Götter zu erflehen, während die Zuschauer ihnen Münzen zuwarfen, auf daß die Seher ihre Bemühungen verstärkten.
»O Inari, erhabene Göttin, halte das Übel von uns fern, wir bitten dich!« rief eine alte Frau in zerlumpter Kleidung.
Als Sano sie sah, mußte er an Aoi denken, und ein Funke des Zorns loderte in seinem Inneren auf. Nicht nur, daß Aois letzte Prophezeiung sich als falsch erwiesen hatte – ihre Beschreibung des Mörders paßte auf keinen der Verdächtigen. In Sano keimten bestimmte Vermutungen auf, was Aoi betraf; er mußte sich endlich ein klares Bild über diese Frau und ihre übersinnlichen Fähigkeiten verschaffen. Wenn man berücksichtigte, daß es in Edo von Spitzeln nur so wimmelte und daß mehr als eine Person daran interessiert war, daß die Nachforschungen im Sande verliefen – war es da ein Fehler gewesen, einer Fremden zu vertrauen? Auch wenn diese Fremde vom Shōgun höchstpersönlich empfohlen worden war?
Sano kam eine
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