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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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und zugleich neugieriger Erwartung überkam ihn und bewirkte, daß er sich so lebendig fühlte wie seit Monaten nicht.
    Ohne daß es Sano bewußt gewesen war, hatte seine kurze Karriere bei der Polizei ihn auf den Geschmack gebracht, was Gefahren und Abenteuer betraf. Überdies war es für ihn stets das höchste aller Ziele gewesen, die Wahrheit zu suchen und zu finden. Und in letzter Zeit hatte er keine Gelegenheit gehabt, Gefahren und Abenteuer zu erleben oder nach einer verborgenen Wahrheit zu suchen. Jetzt aber …
    »Der bundori wurde bereits gefunden, und zwar … äh …« Der Shōgun hielt inne und runzelte die Stirn, als er sich zu erinnern versuchte, wo man die Trophäe entdeckt hatte.
    »Auf einem Feuerwachturm im Apothekerviertel von Nihonbashi, Hoheit.«
    Seidene Kleidung raschelte, als der Shōgun und seine Gefolgsleute sich dem Sprecher zuwandten, dessen Stimme aus dem Hintergrund erklungen war. Sano folgte den Blicken der anderen und sah den Kammerherrn Yanagisawa Yoshiyasu hinter dem Podium stehen. Beim Anblick dieses Mannes, über den er viel gehört, den er aber erst einmal zu Gesicht bekommen hatte, wurde seine Neugier noch größer.
    Bei Yanagisawa vereinten sich Körpergröße, Schlankheit, Anmut der Bewegung und die schön geschnittenen, regelmäßigen Züge zu vollkommener männlicher Schönheit. Der wache, scharfe Verstand, der sich auf seinem Gesicht spiegelte, lenkte die Aufmerksamkeit eines Betrachters von den prachtvollen, modischen Umhängen ab und richtete sie auf die Miene dieses Mannes. Der zweiunddreißigjährige Yanagisawa war bereits der Protegé Tsunayoshis gewesen, als er noch Mitte Zwanzig gewesen war. Gerüchte besagten, er sei der Liebhaber des Shōgun gewesen – und sei es immer noch. Doch wie die Wahrheit auch aussehen mochte: Angeblich hatte Yanagisawa großen Einfluß auf die Entscheidungen des bakufu , der Militärregierung.
    Nun kniete Yanagisawa auf dem Ehrenplatz neben dem Podium nieder, wo er dem Shōgun näher war als alle anderen. Die unterwürfigen Verbeugungen der Gefolgsleute und die Eile, mit der sie Yanagisawa Platz machten, bewiesen die Macht dieses Mannes.
    »Hoheit«, sagte er und verbeugte sich in Richtung des Shōgun.
    Tsunayoshi lächelte grüßend. »Ah, Kammerherr Yanagisawa.« In seiner Stimme lag ein Hauch von Erleichterung, als würde er sich über das Erscheinen eines Verbündeten freuen, der über größeres Wissen verfügte als er selbst. »Wir sprachen gerade über den unglückseligen Vorfall von gestern abend. Ich habe beschlossen, meinem neuen sōsakan die Aufgabe zu übertragen, den … äh … Mörder zu ergreifen.«
    Yanagisawa schaute Sano an. Seine Augen – groß und glänzend unter den dichten, schön geschwungenen Brauen – sahen selbst im Sonnenlicht schwarz aus, als wären die Pupillen ständig erweitert. Die Feindseligkeit, die aus diesem Blick sprach, schnitt Sano tief ins Herz. Was hatte er getan, daß er diesen Mann gegen sich aufgebracht hatte?
    Schon als Kammerherr Yanagisawa erschienen war, hatte Sano die erhöhte Wachsamkeit bei den anderen Anwesenden gespürt – den Shōgun eingeschlossen. Jetzt löste sich die Spannung, als Yanagisawa mit ruhiger Stimme sagte: »Eine kluge Entscheidung, Hoheit.«
    Der Shōgun schien erfreut darüber, daß sein Kammerherr ihm beipflichtete, und auch die Gefolgsleute atmeten auf, daß der schwelende Konflikt nicht offen ausgebrochen war. Erleichterte Seufzer waren zu vernehmen; Körper entspannten sich und streckten sich wieder behaglich auf weichen Kissen aus. Sanos Unbehagen schwand. Yanagisawas Stimme klang aufrichtig, trotz seines anfänglich boshaften Blickes. Er bedachte Sano sogar mit einem Lächeln, bei dem sich ein Winkel seines schön geformten Mundes hob.
    Tsunayoshi wandte sich Sano zu. »Dieser Mord ist zugleich eine … äh … kriegerische Handlung, die gegen den Tokugawa-Klan gerichtet ist. Der Täter muß gefaßt und umgehend bestraft werden. Angesichts einer so ungeheuerlichen Beleidigung meiner Person und der Regierung dürfen wir den Mörder nicht davonkommen lassen. Zumal wir sonst Gefahr laufen, daß die Daimyō uns für verwundbar halten. Deshalb versichere ich Euch der uneingeschränkten Mitarbeit und Unterstützung durch die … äh … Polizeitruppe. Die entsprechenden Befehle sind bereits ergangen.«
    »Überdies«, fuhr der Shōgun fort, »wird Euch die oberste Tempelwächterin des Palasts zur Seite stehen, eine Mystikerin, welche die Macht hat, mit der Welt der

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