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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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wogenden Massen aus menschlichen Leibern schlenderte der bundori -Mörder. Er nahm seine Umgebung kaum wahr und achtete nicht auf die Geräusche, die Menge und die warmen Lichter. Die Menschen, die seinen Weg kreuzten, warfen ihm unbehagliche Blicke zu, offenbar verängstigt von der Aura düsterer Entschlossenheit, die ihn umgab. Sollten sie nur schauen! Sollten sie nur in Angst und Ehrfurcht vor dem Kriegshelden Fürst Odas erzittern!
    Der bundori-Mörder schlug die Richtung zum Asakusa-Kannon-Tempel ein, der inmitten der Laternen, die auf seinem Gelände erstrahlten, wie eine verzauberte Festung schimmerte. Die beiden ersten Morde hatten bei ihm den Appetit auf weitere geweckt und seine Sehnsucht nach den vergangenen Zeiten noch größer werden lassen als zuvor. Bald würde er sich einer weiteren Schlacht gegenüber sehen, und er mußte für den Sieg beten.

    Im stickigen, glutheißen Inneren seines von Lampenlicht erhellten Gefechtszeltes schritt Fürst Oda Nobunaga vor den Generälen auf und ab, die er zu dieser dringenden abendlichen Lagebesprechung zu sich befohlen hatte.
    »Mein verräterischer Schwager Asai hat sich mit Fürst Asakura aus Echizen verbündet«, stieß Oda wutentbrannt hervor.
    In Laufe der zehn Jahre, die seit der Schlacht von Okehazama vergangen waren, war Fürst Oda bis an die vorderste Front der militärischen Macht aufgerückt. Er hatte viele Widersacher vernichtet und einen wichtigen Verbündeten gewonnen: Tokugawa Ieyasu. Fürst Oda hatte die Hauptstadt Kyōto eingenommen. Manchmal erschien er unbezwingbar, und es schien außer Frage zu stehen, daß er früher oder später das ganze Land unterwerfen würde. Doch die Nachricht von Asais Verrat, die am Vorabend seines geplanten Angriffs auf das Gebiet Fürst Asakuras eingegangen war, hatte Betroffenheit bei Odas Generälen hervorgerufen, zu denen nun auch der bundori-Mörder zählte.
    »Asai beherrscht die Pässe im Norden der Provinz Omi«, meinte General Tokugawa Ieyasu. »Er wird unserem Heer einen Hinterhalt legen, bevor wir nach Echizen gelangen können.«
    Tapfer sagte der bundori -Mörder, was gesagt werden mußte. »Dann bleibt uns jetzt keine Wahl, als uns zurückzuziehen, auf daß wir später triumphieren.« Als sich ihm alle Gesichter zuwandten, fügte der junge, neue Stern am Generalshimmel hinzu: »Ich werde die Nachhut befehligen.«
    Und darum beten, daß ich Asai und Asakura lange genug abwehren kann, daß mein Herr und Fürst sicher nach Kyōto gelangt, selbst wenn ich mein Leben dafür geben muß.
    Vor dem Asakusa-Kannon-Tempel scharten Pilger sich um ein großes steinernes Becken voller schwelender Weihrauchstäbchen. Einige Pilger waren lahm, andere litten an Krankheiten. Bei ihren Gebetsgesängen hielten sie die hohlen Hände ausgestreckt, um den heilenden Rauch aufzufangen, der aus dem Becken stieg, und rieben ihn auf die erkrankten Körperteile.
    Der bundori -Mörder ging an den Pilgern vorbei zum Haupteingang des Tempels. Tauben – himmlische Boten der Kannon, der Göttin der Barmherzigkeit – gurrten und flatterten auf den Dachvorsprüngen. Der bundori -Mörder betrat den Tempel und durchquerte die stille, höhlenartige Eingangshalle.
    Die Betenden, die an diesem Tag hier gewesen waren, hatten den Tempel bereits verlassen. Während der bundori -Mörder allein vor dem Altar stand, eilten zwei Mönche an ihm vorbei; die Schritte ihrer bloßen Füße waren kaum zu vernehmen. Er betrachtete die vielarmige, vergoldete Statue der Kannon, die Stiele des heiligen goldenen Lotos, die Wandgemälde, die flackernden Kerzen und die Weihrauchpfannen, aus denen Rauch aufstieg, der alles in einen schimmernden goldenen Nebel hüllte. Dann senkte er den Kopf im Gebet.
    O Kannon, laß meine Truppen die feindlichen Heere zerschmettern. Laß mich einen Sieg nach dem anderen feiern, als Tribut an meinen Fürsten Oda.
    Und dann – weil er nicht so sehr in der Vergangenheit gefangen war, daß er darüber die Gefahren und Pflichten der Gegenwart vergaß – betete er:
    O Kannon, laß mich jene vernichten, die für die Schandtaten bestraft werden müssen, die sie begangen haben. Wie auch jene, die es wagen, sich mir in den Weg zu stellen – besonders der sōsakan des Shōgun.
    Der bundori- Mörder warf eine Münze in den Opferstock, auf daß seine Bitten schneller zur Göttin gelangten; dann verließ er den Tempel. Draußen war der Himmel dunkel geworden, und die Menschenmengen hatten sich beinahe zerstreut. In den Straßen brannten nur

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