Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
verschaffte ihm das Gefühl, ein großer und wichtiger Mann zu sein. Als Uesugi ihm sagte, er solle sich aus unserem Haus scheren, war er sehr wütend, weil dadurch jeder erfuhr, daß er ein armer Schlucker war. Er war so außer sich, daß er mit Uesugis Wachmann eine Schlägerei angefangen und ein Tablett voller Speisen an die Wand geschleudert hat.« Sie schnalzte mit der Zunge. »Der arme Mann.«
    Im Laufe der Jahre, die Sperling als Kurtisane verbracht hatte, hatte sie sich tiefes Wissen über Männer erworben, wie ihre nächsten Worte bewiesen: »Und Ihr, sōsakan-sama? Ihr habt Kummer, nicht wahr? Wollt Ihr mir nicht davon erzählen?«
    Sano spürte, daß Sperling ihre Frage nicht aus dreister Neugierde gestellt hatte oder daß sie irgendeinen habgierigen Trick versuchte, sondern daß sie aufrichtige Besorgnis empfand. Er konnte sich gut vorstellen, wie sie Tōzawa dessen ganze Lebensgeschichte entlockt hatte. Sperling hätte eine hervorragende Polizistin abgegeben – oder Spionin.
    »Nein, danke«, sagte Sano und lächelte, um seiner Ablehnung die Schärfe zu nehmen. »Hat Tōzawa erwähnt, daß er in Edo irgendwelche Feinde hat?«
    Sperlings Doppelkinn wabbelte, als sie den Kopf schüttelte. »Er sagte, daß er hier ganz allein sei.«
    Soviel zu der Theorie, daß der Mörder Tōzawa aus Haß getötet hatte. »Hat er von seiner Familie erzählt? Von seiner Herkunft?« fragte Sano, doch ohne sich viel davon zu versprechen. Er konnte schwerlich damit rechnen, daß Tōzawa Sperling seinen Stammbaum dargelegt hatte – mit sämtlichen Namen seiner Vorfahren in den letzten vier Generationen.
    Um so größer war Sanos Verblüffung, als Sperling antwortete: »Oh, ja. Er sagte, die Schande, seinen Herrn verloren zu haben, treffe ihn besonders schwer, weil einer seiner Ahnen ein großer Kriegsheld gewesen sei. Aber die meisten Samurai-Familien behaupten ja, solche heldenhaften Vorfahren zu haben, nicht wahr?«
    Ihr freundliches Lächeln nahm ihren Worten die Spitze; denn man hätte die Bemerkungen auch so auslegen können, daß Sperling die meisten Samurai-Klans für lügenhafte Angeber hielt.
    Statt dessen sah Sano durch Sperlings Darlegungen seine Theorie erhärtet, daß Tōzawa irgendwie mit Endō Munetsugu zu tun gehabt hatte und daß somit doch Parallelen zwischen den Morden bestanden. Waren beide Männer getötet worden, weil ihr Mörder aus irgendeinem Grund ihre Ahnen haßte? Sanos Vermutung ging dahin, daß der Mörder Tōzawa hinterhergeschlichen war; dann hatte er die Auseinandersetzung im Himmlischen Vergnügen beobachtet, deren Ausgang vorhergesehen und seinem Opfer auf dem dunklen Damm aufgelauert. Sano bemühte sich, seine nächste Frage in beiläufigem Tonfall zu stellen – in der Hoffnung, Sperling durch vorgetäuschte Gleichgültigkeit die erwünschte Antwort zu entlocken.
    »Diese Ahnherr, den Ihr erwähnt habt. War es Endō Munetsugu?«
    »Das weiß ich nicht, Tōzawa hat mir den Namen dieses Vorfahren nicht genannt.«
    Sano klammerte sich an die schwache Hoffnung, daß Endō dennoch der unbekannte Held in Tōzawas Familie gewesen sein könnte. Doch er hatte keine Möglichkeit, dies zu beweisen; und selbst, wenn eine Verbindungen zwischen den beiden Männern bestand, warf dies noch kein direktes Licht auf die Identität des Mörders – oder sein Motiv, Kaibara zu töten, der nicht mit den beiden Männern verwandt war.
    Sperling, die Sanos Verzweiflung offenbar spürte, beugte sich vor und legte ihm tröstend eine Hand auf den Arm. »Seid nicht traurig, sōsakan-sama . Tōzawa hat mir andere wichtige Dinge über seinen Vorfahren erzählt. Er sagte, sein Ahnherr sei ein tapferer General gewesen, der für den Fürsten Oda Nobunaga viele siegreiche Schlachten geschlagen hat.«

11

    S
    ano beendete seine Nachforschungen in Yoshiwara. Die anderen Bewohner des ›Himmlischen Vergnügens‹ hatten keine wichtigen Informationen beizusteuern, und bei einer Durchsuchung des Viertels fand sich niemand, der den hinkenden, pockennarbigen Verdächtigen gesehen hatte. Als Sano wieder in Edo war, suchte er jene Personen auf, die in Uesugis Buch eingetragen waren – wieder ohne Ergebnis. Doch er ließ sich von diesen Fehlschlägen nicht entmutigen.
    Sperlings Aussage stützte seine Theorie, daß der rōnin Tōzawa von Endō Munetsugu abstammte, während der hatamoto Kaibara ein Nachkomme Araki Yojiemons war. Endōs und Arakis Herren, Tokugawa Ieyasu und Toyotomi Hideyoshi, waren unter Oda Nobunaga Generäle und

Weitere Kostenlose Bücher