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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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vom Unterleib bis zur Kehle aufgeschlitzt hätte. Er prallte mit solcher Wucht gegen die Wand eines Ladens, daß es ihn durchschüttelte. Wieder explodierte eine Feuerlohe in seinem bereits schmerzenden Rücken. Einen Sekundenbruchteil, bevor ihm die Klinge in die Brust gedrungen wäre, parierte Sano einen neuerlichen Hieb seines Gegners, dessen Gesicht dem seinen jetzt so nahe war, daß sie sich fast berührten, während die beiden Männer darum kämpften, ihre Schwertklingen frei zu bekommen. Der übelriechende Atem des Angreifers schlug Sano ins Gesicht, und er hörte das Keuchen des Mannes. Indem er sich von der Mauer abstieß, gelang es Sano, den Angreifer zur Seite zu schleudern, so daß er wieder die nötige Bewegungsfreiheit bekam, Schläge zu führen oder zu parieren.
    Mit erhobenem Schwert umkreiste er die geduckte, lauernde Gestalt des Gegners in ein paar Schritt Entfernung. Als Samurai war er geboren, um zu kämpfen, zu töten und durch das Schwert zu sterben. Kampfeslust stieg in ihm auf, heiß und berauschend – eine unwillkürliche Reaktion, die auf einunddreißig Jahre geistiger und körperlicher Übung zurückzuführen war. Doch Sano hielt sich zurück; er hatte so viel Gewalt und Blutvergießen erlebt, daß es für ein Leben lang reichte. Überdies wollte er wissen, wer dieser Mann war und warum er angegriffen hatte.
    Wieder sprang der Fremde vor, führte eine neuerliche Attacke und zwang Sano, einen Hieb nach dem anderen abzuwehren. Stahl traf auf Stahl; das helle Klirren hallte von den Mauern wider. Die Gegner stachen und schlugen, wichen aus und wirbelten herum, sprangen blitzartig vor und zuckten ebenso schnell zurück. Sanos vor kurzem verletzter linker Arm schmerzte jedesmal, wenn er das Schwert beidhändig schwang. Mit einem winzigen Teil seines Verstandes nahm er ferne Geräusche wahr, die näher kamen. Rufe. Rennende Schritte. Das Quietschen von Türen, die geöffnet wurden. Am Rand seines Gesichtsfeldes sah er Lichter, die sich in seine Richtung bewegten. Doch statt die Flucht zu ergreifen, setzte sein Gegner die Attacken fort.
    Sanos spirituelle Kraft, die durch den Kampf erweckt wurde, strömte in sein tiefstes Inneres, erfüllte ihn mit frischer Energie und schärfte seine Sinne. Doch dieser Zustand der perfekten Abstimmung und Harmonie bewußter Gedanken mit unbewußtem Handeln, dem er nur selten nahe gekommen und den er erst einmal erreicht hatte, schwand wieder, so daß er auf sein erlerntes Können als Schwertkämpfer zurückgreifen mußte: Wollte er als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen, mußte er ihn durch kühle Vernunft gewinnen, nicht durch spirituelle Eingebung.
    Während Sano die Hiebe parierte, fiel ihm auf, wie wuchtig sein Gegner zuschlug, wie verwegen und angriffslustig er kämpfte, und welche Risiken er dabei einging. Geschickt ermunterte Sano den Gegner zu einer noch wagemutigeren Kampfesweise, indem er eine geduckte, beinahe verängstigte Haltung einnahm, seine Schläge nur noch zur Verteidigung einsetzte und den Gegner dazu ermunterte, noch aggressiver zu kämpfen. Dabei verlangsamte er nach und nach seine Bewegungen, um Ermüdung vorzutäuschen. Durch dieses Täuschungsmanöver erreichte er sein Ziel, dem Angreifer als ein weniger geübter Schwertkämpfer zu erscheinen. Allerdings setzte Sano mit dieser Taktik sein Leben aufs Spiel. Die zischende Klinge schlitzte ihm den linken Ärmel auf; eine Schnittwunde brannte auf seinem Unterarm. Ein tief angesetzter, schräg geführter Hieb des Gegners streifte seine Schienbeine und durchtrennte den Saum seines Kimonos. Einem furchtbaren Schlag, der auf seine Schläfe gezielt war, konnte Sano nur um Haaresbreite ausweichen, indem er sich abduckte.
    Nach und nach wurde ihm bewußt, daß sich eine Zuschauermenge auf der Straße versammelt hatte, die jetzt nahezu taghell erleuchtet war. Sano konnte nun das wilde, verzerrte Gesicht seines Angreifers unter dem Hut erkennen. Die Zuschauer, die Laternen und Fackeln bei sich trugen, umstanden die Kämpfer in einem unregelmäßigen, vor und zurück wogenden Kreis. Sanos Angreifer zeichnete sich jetzt als wilder, wirbelnder schwarzer Schatten vor einem ständig wechselnden Hintergrund verschiedener Gestalten ab: aufgeregte Samurai, die schreiend und johlend die Widersacher anfeuerten. Männer, die wie Ladenbesitzer aussahen und mit Keulen und Stöcken bewaffnet waren; ihre Augen leuchteten vor hitziger Erregung. Zwei Torwächter, die ihre Speere in den schlaffen Händen hielten und

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