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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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vorstehenden Balken des unteren Daches ließen Licht und Luft ins Innere. Wände, Gebälk und die Säulen aus verwittertem Holz, welche die Decke der oberen Etage stützten, waren vom Rauch längst erloschener Feuer geschwärzt, die in dem Herd aus Tonziegeln gebrannt hatten.
    Das Zimmer war leer und fast so kalt und feucht wie das Sumpfland draußen; es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß sich hier in letzter Zeit jemand aufgehalten hatte. Sano schloß daraus, daß der Unbekannte mehrere Schlupfwinkel benützte, von denen sich jeweils einer nahe genug an dem jeweiligen Schauplatz seiner Morde befand, so daß er nach der Tat diese Verstecke aufsuchen, dort die Köpfe präparieren und die fertigen Trophäen schließlich an ihre Bestimmungsorte bringen konnte. Eine solche Vorgehensweise ließ erkennen, daß der Mörder sich vorausschauend und vorsichtig verhielt. Doch falls dieses Haus das Versteck war, das er nach einem Mord benützen wollte, den er heute abend in Honjo beging – hätte er es dann nicht ein bißchen für seinen Besuch vorbereitet? Erneut stiegen Zweifel in Sano auf.
    »Vielleicht benützt er das obere Geschoß oder den Dachstuhl.« Hiratas Worte verliehen Sanos Hoffnung Ausdruck, als er die Kerze hob und eine Leiter beleuchtete, die hinauf zu einer quadratischen Öffnung in der Decke führte.
    Sano betrachtete die Leiter; das Holz schien noch fest genug zu sein, um das Gewicht eines Mannes tragen zu können. Er kletterte in den ersten Stock hinauf, wobei er die Kerze in der Rechten hielt, und gelangte in ein kleines, wiederum leeres Zimmer, möglicherweise eine Schlafkammer. Wände und Decke waren aus Brettern gezimmert, und der Raum besaß nur ein winziges Fenster. Durch einen Türdurchgang in einer Wand aus zerrissenem Papier und zerbrochenen hölzernen Mittelpfosten gelangte man in andere Zimmer. Eine weitere Leiter führte hinauf zum Dachboden. Sano wartete, bis Hirata in der Deckenöffnung erschien.
    »Durchsuche diese Zimmer«, sagte er. »Ich schaue mir den Dachboden an.« Ein seltsamer Widerwille hielt Sano davon ab, seinem Untergebenen die gefährlichere und weniger erfolgversprechende Aufgabe zuzuweisen. Glaubst du etwa, fragte er sich, du könntest dadurch sicherstellen, daß du die Beweise findest, nach denen du suchst?
    Sano schüttelte den Kopf. Es war ein närrischer Versuch, das Schicksal zu beeinflussen; dennoch blieb er bei seiner Entscheidung und stieg die zweite Leiter hinauf. Als er Kopf und Schultern durch die Öffnung in der Decke des Dachbodens geschoben hatte, hielt er inne, hob die Kerze und schaute sich in dem zeltförmigen Zimmer um.
    Der Fußboden des Dachstuhls wurde von freiliegenden, sich überkreuzenden Holzbalken gestützt, die ein regelmäßiges Muster bildeten. Die Wände stiegen steil bis zur Spitze des Daches an. Aus dem Ried zwischen dem Wandgebälk drangen unheimliche quietschende und raschelnde Laute: Das Dach wimmelte von Ungeziefer. Zögernd schob Sano sich durch die quadratische Öffnung und nahm seine Suche auf, wobei er bei jedem Schritt die Festigkeit des Bodenbretts prüfte, bevor er sein ganzes Gewicht darauf legte.
    Als Sano die Kerze von einer Seite zur anderen schwenkte, entdeckte er ein vergittertes Lüftungsfenster am oberen Ende der gegenüberliegenden Dachwand, durch das ein wenig Licht fiel. Unter dem Fenster lag ein Stapel irgendwelcher Gegenstände auf dem Boden. Sano zügelte seine Neugier und bewegte sich langsam und vorsichtig auf den Stapel zu.
    Plötzlich durchschnitt ein lautes Quietschen die Stille. Eine riesige Ratte sprang aus dem Ried hervor und landete mit einem dumpfen Aufprall zu Sanos Füßen.
    Sano schrie erschreckt auf und griff instinktiv nach seinem Schwert. Selbst als sein Verstand die Gefahr als unbedeutend abtat, sprang er unwillkürlich zurück. Ein Bodenbrett zerbrach, und Sanos Füße rutschten vom Tragbalken ab, der sich aus den Wandverankerungen löste und mit einem lauten, splitternden Krachen in das darunterliegende Zimmer stürzte. Sano brach durch die morschen Bretter des Fußbodens und fiel in die Tiefe. In einem verzweifelten Versuch, sich zu retten, stieß er die Arme in die Höhe. Ein heftiger, schmerzhafter Ruck jagte eine Woge glühenden Schmerzes durch seine Schultern und Arme, als er mit den Ellbogen auf den Balken neben dem Loch traf, das der heruntergestürzte Querbalken und die zerbrochenen Bretter hinterlassen hatten.
    » Sōsakan-sama !« Aus dem Zimmer unter ihm hörte Sano Hiratas erschreckten

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