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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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herausgeholt und ihn auf den Tisch gelegt. Montalbano sah ihn an und erstarrte: Der Brief sah genauso aus wie der, den er bekommen hatte.
    »Was ist das?«, fragte er, Erstaunen heuchelnd, aber diesmal spielte er wie ein Schmierenkomödiant. Der Maresciallo hatte anscheinend keine Lust, seine Zeit zu vertun.
    »Das müsste Ihnen eigentlich bekannt sein. Sie haben den gleichen Brief bekommen.«
    »Entschuldigen Sie, aber woher wollen Sie das wissen? Haben Sie etwa einen Maulwurf in meinem Kommissariat?«, fragte Montalbano und hob die Stimme. »Ich empfehle Ihnen, den Brief zu lesen.«
    »Das ist nicht nötig, wenn Sie meinen, ich hätte den gleichen Brief bekommen«, gab der Commissario zurück und versuchte, sarkastisch zu klingen. »In dem hier gibt es ein Post scriptum.«
    Tatsächlich. Und da stand:
    ICH WEISSE SIE HIN, DAS DER COMISARIO MONTALBANO DENSELBEN BRIF KRIGT, FALS SIE MEINEN, SIE WEREN BESONDERS SCHLAU.
    Sie schwiegen.
    »Und?«, fragte Verruso dann.
    Der Commissario überlegte hin und her. Er hatte zweifellos falsch gehandelt, es wäre seine Pflicht gewesen, den Brief an die Carabinieri weiterzuleiten und sich ansonsten aus der Sache rauszuhalten. Aber wenn er zugab, dass er ihn bekommen hatte, erstattete der Maresciallo vielleicht Meldung beim Questore, und dann gab es einen Mordskrach.
    Und Bonetti-Alderighi, der Herr Polizeipräsident, würde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ihn fertig zu machen und dafür zu sorgen, dass er aus dem Polizeidienst entlassen wurde. Er hatte sich strafbar gemacht, daran war nicht zu rütteln. Na gut, wenn er dafür bezahlen musste, dann würde er eben dafür bezahlen.
    »Ich habe den Brief bekommen«, sagte er so leise, dass er es fast selbst nicht hörte. Doch der Maresciallo hatte sehr gut gehört. »Sie wissen, dass Sie ihn unverzüglich an meine Vorgesetzten hätten weiterleiten müssen?«
    Er hatte den gleichen unangenehmen Ton an sich wie neulich, als er ihn wegen des Telefons angefahren hatte. Und wie in seinem Traum, als er ihm nicht erlaubte, sein Schäferstündchen mit Livia zu beenden. Vor allem diese Erinnerung wurmte ihn gewaltig.
    »Ich weiß das, ich mache den Job ja nicht erst seit gestern.«
    Er zog eine Schublade auf, nahm den Brief heraus und warf ihn auf den von Verruso. »Nehmen Sie ihn und hauen Sie ab.«
    Verruso rührte sich nicht von der Stelle und schien auch nicht beleidigt. »Sonst nichts?«
    »Was denn noch?«
    »Verzeihen Sie, Dottore, aber ich glaube Ihnen nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil es nicht zu Ihnen passt. Ich habe viel von Ihnen gehört, wie Sie arbeiten, wie Sie denken. Daher bin ich überzeugt, dass Sie den Brief nicht einfach in eine Schublade gelegt haben. Und wo wir schon mal im Gespräch sind.«
    Er unterbrach sich, beugte sich vor, nahm den an Montalbano adressierten Brief und reichte ihn ihm. »Lassen Sie ihn verschwinden. Meine Vorgesetzten sollten von der Geschichte besser nichts erfahren.«
    Verruso wollte also mit offenen Karten spielen, ohne Tricks und ohne Fallen. Der Mann verdiente Vertrauen und Respekt.
    »Danke«, sagte Montalbano. Er legte den Brief in die Schublade zurück. »Was haben Sie auf der Baustelle denn gefunden?«, fragte der Maresciallo unvermittelt. Montalbano blickte ihn bewundernd an. »Woher wissen Sie, dass ich auf der Baustelle war?«
    »Ich war auch da«, sagte Verruso.
Kapitel 5
    Zuerst war Montalbano verlegen, er schämte sich sogar. Nicht weil er bei etwas Ungesetzlichem beobachtet worden war, sondern weil Verruso, wenn er den ganzen Spektakel verfolgt hatte, inklusive Sturz kopfüber in den Matsch, sich bestimmt über ihn kaputtgelacht hatte. Er sah dem Maresciallo in die Augen, konnte aber von Spott oder Belustigung nichts entdecken. Die nächste Empfindung war psychosomatischer Art, denn seine Schulter stach ihn dreimal rasch hintereinander. »Haben Sie mich observiert?«
    »Das würde ich mir nie erlauben. Ich hatte vor, die Baustelle gründlich zu inspizieren, aber da habe ich Ihr Auto gesehen und.«
    »Woher wussten Sie, dass das mein Auto war?«
    »Ich hatte es doch in Montelusa gesehen, als wir diese. nun ja, Diskussion hatten. Und ich vergesse kein Nummernschild.«
    Er war eine echte Polizistennatur, gar keine Frage. »Aber wie kommt es, dass ich Sie nicht gesehen habe?«
    »Ich hatte außerhalb der Einzäunung geparkt, auf der anderen Seite der Baustelle. Ich habe gesehen, wie Sie durch das Fenster in die Baracke eingestiegen sind. Und da habe ich mich

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