Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
Theater gehabt? Er konnte die Frage nicht beantworten. Montalbano sah auf die Uhr, es war schon zwei. Er schaltete den Fernseher aus und ging ins Bad. Die Schulter schmerzte jetzt arg, und er kramte lange im Arzneischränkchen nach der Salbe, mit der Ingrid ihm einmal dieselbe Schulter eingerieben und die ihm gut getan hatte. Natürlich fand er sie nicht. Er legte sich ins Bett, drehte sich immer wieder um, bis er eine Lage fand, in der die Schulter nicht so wehtat, und schlief dann endlich ein.
    Er stand mit Livia ganz oben auf einer Klippe, und sie blickten auf das Meer unter ihnen. Plötzlich hörte man ein gewaltiges >Krack<.
    »Was war das?«, fragte Livia erschrocken. Da merkten sie, dass sie nicht am Rand einer Klippe, sondern auf einem Gerüst aus Eisenstangen und Brettern standen. Und ausgerechnet das Brett, auf dem sie beide standen, hatte das unheilvolle Geräusch von sich gegeben. »Krrraaack!«, machte das Brett noch mal und brach durch. Sie fielen ins Leere. Sie fielen und fielen, unendlich lange. Nach dem ersten Schreck und da sie in etwas hineinfielen, das anscheinend keinen Boden hatte, gewöhnten sie sich irgendwie ans Fallen. Es war ein langsames, gebremstes Gleiten, als ob die Schwerkraft halbiert wäre. »Wie geht's dir?«, fragte Montalbano. »So weit ganz gut«, antwortete Livia. Da sie nah nebeneinander flogen, fassten sie sich bei den Händen. Dann umarmten sie sich. Dann küssten sie sich. Dann zogen sie sich aus, und die Kleider segelten auf ihrer Höhe mit. Nachdem sie sich fünf Minuten lang geliebt hatten, landeten sie in einem Akrobatennetz, und lachend und immer wieder hochschnellend liebten sie sich weiter, bis jemand schrie:
    »Handschellen her! So was tut man nicht in der Öffentlichkeit! Ihr seid verhaftet!«
    Das schrie dieser Typ, der Maresciallo, der ihm in Montelusa aufs Dach gestiegen war, weil er den Hörer hingeknallt hatte. Montalbano wachte auf und verfluchte ihn. Da kam ihm eine verrückte Idee. Es war vier Uhr morgens. Er stand auf, ging ins andere Zimmer und wählte eine Nummer. Livias verschlafene und belegte Stimme meldete sich beim sechsten Klingelton, als der Commissario sich schon besorgt fragte, wieso sie um diese Uhrzeit noch nicht zu Hause war. »Wer ist da?«
    »Ich bin's, Salvo. Weißt du, dass ich gerade von dir geträumt habe?«
    »Fick dich, du blöder Wichser!«
    Er hatte sich verwählt, das war nicht Livias Stimme. Aber damit war ihm die Lust vergangen, die richtige Nummer zu wählen. Alle Müdigkeit war verflogen. Er ging in die Küche, um sich einen Espresso zu machen, und stellte mit Schrecken fest, dass nur noch ein paar Krümel in der Dose waren, die nicht mal für ein Tässchen gereicht hätten. Fluchend zog er sich an. jede Bewegung war von einem heftigen Stich in der Schulter begleitet. Montalbano fuhr zur Nachtbar am Hafen. Er trank einen extrastarken doppelten Espresso, kaufte vorsichtshalber hundert Gramm gemahlenen Kaffee, ging zurück zum Auto und blieb wie angewurzelt stehen. Er hatte am Tor eines Holzzauns geparkt, neben zwei Pfosten, an denen eine große Tafel angebracht war. Ein Zaun wie bei der Baustelle, auf der er gewesen war. Und das hier war auch eine Baustelle. Er sah auf das Schild. Die Idee, die ihm plötzlich gekommen war, hielt auch der zweiten und der dritten Prüfung stand.
    Warum sollte er dem nicht nachgehen? Es war zumindest eine Möglichkeit.
    Sein linker Arm baumelte schlaff am Körper, denn sobald er ihn bewegte, schmerzte die Schulter dermaßen, dass es sich anfühlte, als ob sie vor Wut brüllte. Die Fahrt von Marinella ins Kommissariat war mühsam gewesen, und als er sich jetzt aus dem Auto quälte, kam ihm Catarella entgegen, der zufällig vor dem Eingang gestanden hatte. »Ah Dottori Dottori! Tut's immer noch weh?«, fragte er und versuchte ihn praktisch Huckepack zu nehmen. »Hängen Sie sich an mich dran! Mein Bein tut nicht mehr weh! Mir geht's wieder gut!«
    »Warst du gestern bei der alten Frau?«
    »Ja, Dottori! Sie hat mir einen Nachtwickel gemacht, und heut Früh war ich ganz gesund!«
    Was bedeutete das? Der Commissario blickte verschwörerisch um sich. Er sprach ganz leise. »Gehst du heute Abend mit mir da hin?«
    Catarella blieb die Luft weg. »Matre santa, Dottori, was für eine Ehre!«
    »Aber wehe, du verrätst was, Catare!«
    »Ich bin ein Grab, Dottori.«
    Der Commissario erzählte Fazio von den Aufnahmen, die er sich angesehen hatte. Dann sagte er, er sei, da er keinen Kaffee mehr im Haus gehabt

Weitere Kostenlose Bücher