Die Rache des stolzen Griechen
heiraten wollte, weil er sich ihr gegenüber verpflichtet fühlte?
Abermals ging sie die Bücher durch. Ein anderes Wort war ihr eingefallen, dessen Bedeutung sie herausfinden wollte. Agapémene hatte er in jener Nacht zu ihr gesagt, als sie den Albtraum hatte. Agapémene . Auf Englisch hieß es so viel wie „du bist in Sicherheit.“
Clares Herz begann aufgeregt zu pochen. War es möglich, dass Lazar sie heiraten wollte, weil er sie liebte? Im Geist ging sie noch einmal alles durch, was er zu ihr gesagt hatte, alle Gesten, mit denen er sie berührt hatte. Körperlich hatte er sie begehrt, dessen war sie sicher. Noch immer glaubte sie, seine Hand auf ihrer nackten Brust zu fühlen und die Erregung, die sie dabei verspürt hatte. Auch sie hatte ihn begehrt.
Aber konnte er sie tatsächlich lieben? Leb wohl, mein Herz waren seine letzten Worte am Flughafen gewesen. Die Qual in seiner Stimme hatte sie sich nicht eingebildet, das wusste sie jetzt mit Sicherheit. War es der Schmerz darüber gewesen, dass er sich von ihr trennen musste, weil es für sie das Beste war?
Clare stöhnte unterdrückt auf, als sie daran dachte, wie hastig sie sich aus seinen Armen frei gemacht hatte. War ihre Reaktion nicht eine Bestätigung für ihn gewesen, dass Kit ihm die Wahrheit gesagt hatte? Dass die Leidenschaft seiner Gefühle ihr Angst machte – dass sie Angst vor ihm hatte?
Sie merkte, wie jemand sie mit seltsamen Blicken musterte, und fragte sich, ob man ihr ihre Gefühle ansah. Dann fiel ihr ein, dass ihre Mutter sicher schon auf sie wartete. Hastig stellte sie die Bücher ins Regal zurück und verließ die Bibliothek.
Automatisch lenkte sie ihre Schritte zum Parkplatz, wo sie den Wagen abgestellt hatten. In Gedanken war sie immer noch bei Lazar. Nein, sie hatte keine Angst vor ihm, ganz im Gegenteil. Wenn er nur wüsste, welches Feuer er in ihrem Inneren entfacht hatte und wie sehr sie sich nach ihm sehnte! Doch er würde es nie erfahren.
Inzwischen war es Dezember geworden, und das Weihnachtsfest rückte näher.
Clare hatte dunkle Schatten unter den Augen, die von ihren schlaflosen Nächten zeugten. Ihr war klar, dass sie etwas dagegen tun musste, denn so konnte sie nicht weiterleben. Sie drohte innerlich zu zerbrechen. Etwas in ihrem Herzen sagte ihr, dass ihr Glück noch nicht verloren war, wenn sie den Mut aufbrachte, darum zu kämpfen.
Lange saß sie in ihrem Zimmer und überlegte. Die Idee, nach Griechenland zu fliegen und Lazar zu besuchen, nahm immer konkretere Formen an. Aber was sollte sie zu ihm sagen? Es war auch nicht sicher, dass er sich in seiner Villa aufhielt, da er häufig unterwegs war. Und wenn sie sich doch alles nur eingebildet hatte, was dann? Wenn er wieder diese kalte Maske aufsetzte und ihr mit spöttischer Stimme einen Psychiater empfahl, während sie glaubte, dass er sie liebte?
Clare stand auf und verließ das Zimmer, bevor ihre Fantasie noch weiter mit ihr durchging. Sie musste unbedingt an die frische Luft, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
„Du gehst weg?“, fragte ihre Mutter, als sie sah, wie Clare ihre Winterjacke überzog.
„Mir fehlt noch eine Weihnachtskarte“, erklärte sie rasch. „Brauchst du etwas, Mum?“
„Ja, du könntest mir ein paar Sachen mitbringen.“
Als Clare ein paar Minuten später mit ihrer Einkaufstasche das Haus verließ, fragte sie sich, warum sie das mit der Weihnachtskarte gesagt hatte. Bisher hatte sie ihrer Familie gegenüber noch nie irgendwelche Ausreden gebraucht. Lag es daran, dass sie verliebt war?
Sie erreichte das Postamt atemlos und mit roten Wangen. Nicht nur, weil sie die halbe Meile in den Ort so schnell gelaufen war, sondern auch vor innerer Erregung. Nachdem sie so lange passiv gewesen war, hatte sie endlich ihren Mut wiedergefunden. Ihre Lüge mit der Weihnachtskarte hatte sie auf eine Idee gebracht.
Clare betrat das Postamt und kaufte eine der Karten mit einem typisch altenglischen weihnachtlichen Motiv, das eine schneebedeckte Landschaft zeigte. Anschließend setzte sie sich in das Wartehäuschen an der Bushaltestelle. Lange blickte sie auf die Karte, dann löste sie entschlossen die Cellophanhülle und nahm einen Stift aus ihrer Umhängetasche. „In Liebe, Clare“, schrieb sie unter die vorgedruckten Weihnachtsgrüße.
Hastig, als hätte sie Angst, der Mut könnte sie wieder verlassen, schrieb sie Lazars Namen und die Adresse seiner Villa auf die Karte. Ebenso rasch lief sie zurück ins Postamt und gab die Karte
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