Die Rache ist Dein
zögerte, wog ihre Worte sorgfältig ab. »Nichts Genaues. Sie klang ziemlich ... aufgeregt am Telefon. Als hätte sie was rausgefunden.«
»Na toll! Das ist ja noch schlimmer! Überall muß sie ihre Nase reinstecken.«
»Mag sein, daß ich mich täusche, Peter.«
»Du täuscht dich nie! Warum hast du das Wort aufgeregt benutzt?«
»Vielleicht ist abgelenkt das richtige Wort. Sie hat vergessen, nach Hannah zu fragen, bis ich den Vorfall von heute morgen erwähnte. Dann war sie plötzlich sehr besorgt um Hannah. Das sieht ihr nicht ähnlich ... ihre Schwester zu vergessen. Du weißt, wie sehr sie an Hannah hängt.«
»Cindy war den ganzen Tag nicht zu Hause! Sie hat irgendwo rumgeschnüffelt und sich zu weit vorgewagt. Gott, wie kann jemand, der so viel Köpfchen hat, gleichzeitig so dumm sein!«
»Vielleicht hat sie nur eine Panne.«
»Klar doch. Und Hühner können fliegen!« Decker fluchte leise. »Möglich, daß Scott was weiß. Ich muß los.«
»Mach dir keine Sorgen, Peter. Ihr wird schon nichts passiert sein.«
Decker wollte ihr glauben. Wollte ihr wirklich glauben. Er wollte auch glauben, daß das Gute belohnt und das Böse bestraft wird. Aber selbst der große Prophet Moses war nichr in Gottes Gerechtigkeitssystem eingeweiht worden. Wieso sollte dann er, ein bloßer Sterblicher, Kenntnisse über den verrückten Lauf der Welt haben?
Das Auto stand nicht auf dem Parkplatz, also war Cindy noch unterwegs. Lächerlich, es in ihrer Wohnung zu versuchen. Aber was zum Teufel, sie hatte sowieso nichts Besseres zu tun. Vielleicht hatte Cindy ihr Auto in die Werkstatt gebracht und fuhr einen Mietwagen. Der Saturn hatte am Freitag ziemlich heftig gequalmt. Wäre nur vernünftig von Cindy, ihn nachsehen zu lassen. Hayley ging die zwei Treppen rauf, klopfte mehrmals an die Tür. Natürlich machte niemand auf. Na und? War doch nicht schlimm, daß sie nicht zu Hause war.
Aber irgendwas hielt Hayley davon ab, einfach nach Hause zu fahren. Diese Nervosität ... dieser Druck im Magen ... als ob ihr eine fremde Macht signalisierte, daß etwas nicht stimmte. Also nahm sie eine Haarnadel und versuchte, das Schloß zu knacken. Als sie merkte, daß es einen zusätzlichen Riegel hatte, gab sie auf.
Jetzt hätte sie wirklich nach Hause fahren sollen. Aber das merkwürdige Gefühl wurde stärker, drängte sie, es an den Fenstern zu probieren. Sie waren verschlossen. Kein Wunder, schließlich war erst vor zwei Tagen jemand in Cindys Wohnung eingebrochen.
Hayley hätte sich wohl damit zufriedengegeben, hätte sie nicht frische Kratzspuren am Fensterbrett bemerkt, was sie noch nervöser machte. Sie trommelte gegen das Fenster, was nur die Scheiben zum Klirren brachte. Nun blieben ihr bloß noch zwei Möglichkeiten — heimzugehen oder die Scheibe einzuschlagen.
Sie atmete tief durch. Dann wickelte sie sich die Jacke um die Faust und stieß fest zu. Glas klirrte. Vorsichtig griff sie durch das gezackte Loch und öffnete das Schloß. Dann schob sie das Fenster hoch und war gleich darauf in der Wohnung.
Sie rief Cindys Namen, aber niemand antwortete. Alles war still, keiner lauerte hinter dem Duschvorhang. Norman Bates gönnte sich eine Pause.
Inzwischen kam sie sich doppelt blöd vor: Erstens machte sie sich Sorgen um eine erwachsene Frau, die noch dazu Polizistin war, und zweitens hatte sie das Fenster eingeschlagen, wofür sie wahrscheinlich bezahlen mußte. Und wie sollte sie das Cindy erklären, die ihr gegenüber sowieso mißtrauisch war? Wer wollte Cindy das verdenken? Sie konnte bestimmt nicht verstehen, wieso Hayley Fenster einschlug oder den Camry verfolgt hatte. Wie sollte Hayley ihr erklären, daß sie rein intuitiv handelte, ständig an den schrecklichen Tag denken mußte, als sie drei Stunden lang mitten im Joshua-Tree-National-Park festsaß, in der sengenden Wüstenhitze, weil so ein Arschloch vom Revier es komisch gefunden hatte, ihr Kühlwasser abzulassen und die Batterie ihres Handys leer zu machen. Zum Glück war schließlich ein motorisierter guter Samariter vorbeigekommen. Und Wunder über Wunder, er war kein Verrückter oder Perverser. Er war einfach nur ein netter Kerl, der ihr sein Handy lieh und mit ihr wartete, bis der Pannendienst kam. Später, als sie wieder in Sicherheit war, hatte sie ihm Geld geschickt — fünfzig Dollar, was damals sehr viel für sie war. Der Brief kam zurück — Empfänger unbekannt. Von dem Moment an hatte Hayley geschworen, daß es ihr Schutzengel gewesen war. Und brauchte
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