Die Rache ist Dein
gesehen?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Er hat eine Visitenkarte hinterlassen. Scheiße auf Cindys Matratze.«
»Himmel!« Decker verzog das Gesicht. »Menschliche?«
»Ich bin kein Experte, aber ich glaube, es war Hundescheiße. Ich hab sie eingetütet und rausgebracht, weil die ganze Wohnung danach stank.«
»Das ist Sachbeschädigung.« Decker rieb sich die Stirn. »Widerliche Beschädigung, aber keine teure. Jemand will ihr Angst einjagen.«
Decker fühlte sich plötzlich alt, als sei sein Leben erodiert, habe ihn ausgehöhlt wie Wellen, die gegen die Felsen schlagen. Mit einem Blick auf Oliver stellte er fest, das der genauso erschöpft war. Vielleicht ließ Cindys lebenssprühende Jugend Scott nur noch mehr spüren, daß er dem Tod entgegenging.
Oliver strich sich über das Kinn, als brauchte er eine Rasur. »Ich hab noch nichts auf Fingerabdrücke untersucht. Hast du die Ausrüstung dabei?«
»Im Kofferraum. Ich tue, was ich kann, aber irgendwann müssen wir die Spurensicherung holen. Aber vorher müssen wir Cindy informieren.«
»Gute Idee. Ich hab eine Checkliste fürs Schlafzimmer auf die Kommode gelegt«, sagte Oliver. »Soll ich Marge anrufen?«
»Laß sie bei ihrer Tochter.« Plötzlich kniff Decker die Augen zusammen und runzelte die Stirn. »Was ist mit deiner Nase passiert?«
Vorsichtig betastete Oliver sein Gesicht. »Deine Tochter - Cindy war wütend auf mich. Eigentlich war sie eher wütend über das alles hier und hat sich an mir abreagiert. Das ist schon okay. Ich wußte, wie sie sich fühlte.«
»Tut es weh?«
»Teufel, ja. Cindy ist stark. Sie hat einen kräftigen Schlag.«
In ihrem flauschigen rosa Bademantel kam Cindy aus dem Bad, Hausschuhe an den Füßen. Als sie ihren Dad sah, blieb sie stehen, unsicher, wie sie ihm begegnen sollte. Sie versuchte es mit einem Lächeln, das aber rasch wieder erlosch, und brachte nur ein mattes »Hi« heraus. Deckers Herz wurde schwer; sie sah so jung und verletzlich aus. Ihr Haar war unter einem Handtuchturban verborgen, ihr Gesicht bleich und ausdruckslos. Decker legte den Beweisbeutel weg, merkte, daß seine Tochter das Durcheinander im Zimmer anstarrte, die teilweise mit schwarzem Fingerabdruckpulver bestäubten Wände. »Was kann ich für dich tun?«
»Habt ihr Abdrücke gefunden?«
»Bisher noch nicht. Oliver und ich haben überlegt, ob wir die Spurensicherung rufen sollen.«
»Klar, soll doch die ganze Welt wissen, was für ein Idiot ich bin.«
Decker überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. »Was würdest du denn am liebsten tun?«
»Den Kopf in den Ofen stecken?«
Decker näherte sich ihr wie einem verwundeten Tier, blieb vor ihr stehen. »Darf ich dich in den Arm nehmen?«
»Wenn du dich dann besser fühlst.«
»Wirst du dich dann besser fühlen?«
»Den Idioten zu küssen, macht es auch nicht besser, Dad.«
Decker umarmte sie trotzdem. »Ich hab dich lieb, Prinzessin.«
Sie lehnte sich an seine Brust, steif und verkrampft. »Ich hab dich auch lieb.«
»Wir schaffen das schon.«
»Falsch.« Sie schob ihn weg. »Ich schaffe das. Ich werde damit fertig. Nicht du.«
Er wußte, daß sie verzweifelt war, aber wie konnte er sie trösten, wenn sie ihm keine Chance gab? Je emotionaler er war, desto heftiger schien sie zurückzuschlagen. Ironischerweise interpretierte sie seine Zärtlichkeit offenbar als Schwäche. Wenn Sanftheit nicht funktionierte, konnte er genausogut er selbst bleiben. »Ich muß dir ein paar Fragen stellen.«
»Klar. Schieß los.«
»Diesmal aber bitte ehrliche Antworten.«
»Kein Problem.« Aber Decker war sich da nicht so sicher.
»Danke, daß du die Scheiße von meinem Bett geräumt hast«, sagte Cindy. »Das war Oliver.«
»Applaus für Scotts heimlichen Altruismus. Hipp, hipp ... «
»Laß uns ins Wohnzimmer gehen.«
»Ins ehemalige Wohnzimmer, meinst du wohl.« Sie nahm das Handtuch vom Kopf. Rostrotes Haar fiel ihr in Wellen über die Schultern. »Ist St. Scott noch da?« Decker nickte.
»Dann sollte ich mich anziehen«, meinte Cindy. »Ach, vergiß es. Formalitäten sind unnötig. Er hat mich ohnmächtig gesehen, er hat mich betrunken gesehen, er hat mich kotzen gesehen ... wohl eher gehört. Er hat's dir schon erzählt, oder?«
»Keine Einzelheiten. Das mußt du auch nicht.«
»Ich versuch nur, ehrlich zu sein. Ich geh dir ganz schön auf die Nerven, was?«
Decker legte den Arm um seine Tochter. »Ich liebe dich. Hör auf mit dem Selbstmitleid.«
»Unter den gegebenen Umständen finde
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