Die Rache. Thriller.
ich hab’ beides gemacht - oder als Arbeiter in einer Ölraffinerie am Golf von Mexiko - das war besonders schwere Arbeit, kann ich Ihnen sagen -, selbst wenn man so beschäftigt ist, man weiß genau, es ist alles Lüge. Man ist immer noch auf der Flucht. Man ist sich zwar nicht mehr sicher, daß ein Verfolger hinter einem her ist, aber immer paßt man noch auf, wie die ganzen Jahre vorher. Dabei hat man vielleicht weder verkleidete Bullen noch V-Männer im Schlepptau.
Und so ist das Versteckspiel sinnlos. Schließlich hält man sich selbst, das ganze Leben auch für sinnlos. Das einzige, was einem noch passieren kann, ist, daß man als Fußnote in einer Diplomarbeit in Politikwissenschaft über Terrorismus vorkommt.«
»Wie ist es denn Ihnen ergangen?«
»Als ich mich in dieser Situation befand, waren Ramon und ich zusammen. Mir war klar, daß es keine Möglichkeit gab, herauszufinden, ob sie noch hinter mir her waren oder nicht. Da habe ich das Naheliegendste getan.«
»Nämlich?«
»Ich setzte mich mit Olivia in Verbindung.«
»Wozu war denn das gut?«
»Sie haben sie doch gesehen, Herr Richter. Es ist doch ganz klar. Nie werden sie Olivia in Ruhe lassen. Immer werden sie sie jagen. Sie hat etwas an sich, das die Herrschenden hassen und fürchten. Überlegen Sie doch mal. Wenn Sie sie als Richter vor sich hätten, wegen Verkehrsvergehen meinetwegen oder illegalem Müllabladen oder sonst was. Welche Strafe würde sie kriegen?«
»Das Höchstmaß. Ganz zweifellos.«
Bill Lewis warf den Kopf zurück und lachte. »Von mir auch, da können Sie mal sehen. Olivia hat ungeheure Kraft. Sie gibt mir das Gefühl, wieder im wirklichen Leben zu stehen. Endlich bin ich wieder lebendig. Ich tue etwas Konkretes. Ich laufe nicht mehr von Job zu Job, muß nicht mehr zusehen, wie andere ihre Zukunft planen, und wissen, daß meine eigene längst vorbei ist.«
Pearson drängten sich gleichzeitig mehrere Gedanken auf. Er überlegte, wie er die Unterhaltung fortsetzen könnte, und sagte schließlich: »Sie haben also Kontakt zu ihr aufgenommen.«
»Ja, ich habe ihr einfach geschrieben.«
»Einen Brief? Wie war das möglich?«
»Die Schließer im Gefängnis sind nicht besonders schlau. Sie kriegen so gut wie überhaupt nichts mit. Ich hatte das Ganze leicht verschlüsselt. ›Liebe Olivia, Dank für Deine Zeilen. Vetter Lewis geht’s gut. Bill auch. Schreib ihm doch mal!‹ Es war ziemlich leicht für sie herauszufinden, von wem der Brief kam.«
»Und dann haben Sie die Sache hier geplant.«
»Nee, wir haben nur Kontakt geknüpft und blieben in Verbindung.«
»Eigentlich sind Sie nicht der Typ, der sich an solchen Sachen beteiligt.«
»Ha ha! Da sieht man mal, wie wenig Ahnung Sie haben.«
»Ich kann Olivias Haß irgendwie nachvollziehen. So viele Jahre hinter Gittern. Aber Sie waren doch immer draußen …«
Pearson brach ab, als er die plötzliche Anspannung in Bills Gesicht sah.
Bill sprang auf, seine athletische Gestalt wirkte plötzlich übergroß und bedrohlich. Er beugte sich pfeilschnell nach unten, sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem des Richters entfernt.
Pearson zuckte zurück, als sei er geschlagen worden. In Lewis’ Gesicht spiegelten sich mühsam beherrschter Zorn und Hohn. »Ihre Tochter und Ihr Schwiegersohn! Sie haben mich genauso auf dem Gewissen wie Olivia.
Glauben Sie, mein Gefängnis wäre auch nur eine Spur besser gewesen? Glauben Sie, daß Leben im Untergrund kein Knast ist? Wissen Sie, wer in Lodi auf der Straße umkam? Sie war meine große Liebe, sie war meine Frau, und wir beide haben Olivia geliebt! Als Duncan damals abgehauen ist, hat er meine ganze Zukunft ruiniert. Mein ganzes Leben, Richter! Ich stand kurz vor dem Architek-turexamen, ich hätte Häuser bauen können, konstruktiv mitwirken an der neuen Welt, wenn dieser Hund uns nicht einfach im Stich gelassen hätte! Ich bin nur noch gerannt von dem Moment an, in dem er unsere Hoffnung zerstört hat. Bis heute. Und jetzt sammele ich den Wegezoll für diese endlose, beschwerliche Reise.«
Lewis war so außer sich, daß er die Arme hob und wie Mühlräder kreisen ließ. Seine Schläfenader schwoll an, sein Nacken wurde feuerrot. Die Fäuste hatte er geballt.
Tommy schrak auf, er fuhr zurück und warf sich seinem Großvater in die Arme.
Pearson hatte sich schnell von seiner Überraschung erholt. Er blieb unbeweglich sitzen und starrte, ohne mit der Wimper zu zucken, auf Lewis. Er spürte dessen Ärger und aufsteigende
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