Die Rache. Thriller.
Tommy wie aus der Pistole geschossen.
»Hähnchen«, sagte der Großvater.
Bill Lewis grinste. »Mal sehen.«
Er stellte ihnen das Tablett hin. Der Richter nahm ein Sandwich vom Tablett und verzog das Gesicht, als er den Aufschnitt, die Erdnußbutter und das Gelee sah, die sie jedesmal bekamen.
Er lehnte sich zurück und kaute auf Mortadella, Eissalat und Mayonnaise herum. Er schob das Tablett zu Tommy hinüber, der widerwillig ein Brot mit Erdnußbutter und Gelee nahm. Zögernd biß er hinein. Zugleich schaute er ängstlich auf die losen Planken der Wand.
Pearson durchfuhr ein leiser Schreck, aber er ließ sich nichts anmerken, rückte näher an Tommy heran und klopfte ihm auf das Knie, um ihn so unauffällig wie möglich abzulenken. Er sah Lewis an, lächelte, dachte jedoch: Verschwinde doch endlich und laß uns in Ruhe!
Aber Lewis, der ihm gegenüber auf dem Bett Platz genommen hatte, machte es sich bequem wie ein gernge-sehener Gast.
Der Richter fluchte innerlich. Dann fragte er in umgäng-lichem Ton: »Wie sieht’s inzwischen aus?«
Lewis zuckte die Achseln.
»Sie erzählt keinem was«, antwortete er.
»Was soll das heißen?« fragte Pearson.
»Es ist so: Olivia hat alles geplant. Sie ist der Chef. Bisher ist alles so gelaufen, wie sie wollte. Mehr darf ich nicht sagen.«
»Was wäre so schlimm daran?«
Wieder zuckte Bill Lewis die Achseln. »Es tut mir leid.«
»Aber was geht denn überhaupt vor? Gibt es Verhandlungen irgendwelcher Art, gibt es Geldforderungen? So viel können Sie mir doch verraten! Sehen Sie mal, wir sind hier oben eingesperrt, und niemand außer Ihnen kommt vorbei. Sie könnten uns doch vielleicht ein bißchen Mut machen!«
»Es tut mir leid, aber ich kann es nicht. Und ich habe Ihnen das auch schon gesagt. Es geht nicht und basta.«
Plötzlich sah er sich um, wie um sich zu vergewissern, daß sie auch allein waren. Dann sagte er mit leiser Stimme: »Sie sagt, alles läuft, wie es soll. Ich glaube, wir nähern uns dem Ziel. Aber mehr weiß ich selbst nicht, und damit müssen Sie sich zufriedengeben.«
Der Richter nickte. Dann sagte er: »Es ist nicht sehr fair, uns über nichts zu informieren, vor allem dem Jungen tut das überhaupt nicht gut.«
»Das Leben ist nun mal nicht fair.«
»Jetzt reden Sie schon wie Olivia. Dabei sind Sie doch ganz anders.«
»Was heißt das?«
»Genau, was ich gesagt habe. Sie sind nicht wie sie.«
»Aber natürlich bin ich das.«
Der Richter schüttelte den Kopf.
»Doch!« widersprach Lewis. »Ich war schon immer so, schon bei unserer ersten Begegnung.«
»Wann war das?«
»Fünfundsechzig. Jahre vor der Phönix-Brigade. Wir waren immer zusammen. Gute Kameraden und alles, was dazu gehört.«
»Aber sie kam ins Gefängnis.«
»Ja, und Ihre Tochter und Ihr Schwiegersohn sind heute reiche Leute. Ich bin in den Untergrund gegangen.«
»Für wie lange Zeit?«
»Ich bin immer noch dort«, sagte Lewis stolz.
»Aber sicher ist …« Pearson brach ab.
»Sicher was?«
»Ach, gar nichts, ich dachte nur …«
»Was?«
»Irgendwann müssen Sie sich doch sicher gefühlt und geglaubt haben, jetzt sucht Sie keiner mehr. Niemand wird ewig verfolgt.«
»Aber sicher, erzählen Sie mir doch nichts, Herr Richter.«
Lewis hatte sich auf dem Bett ausgestreckt. Er war begierig zu reden.
Tommy sah ihn ängstlich an. Von Bissen zu Bissen wurde es schwieriger für ihn zu schlucken. Ihm wurde schwindelig im Kopf, und er hatte das Gefühl, sein ganzer Körper würde von dem Schwindel erfaßt. Er sagte sich: Nicht schon wieder! Ich will hierbleiben! Aber irgend etwas zerrte an ihm, das stärker war als er, und langsam fühlte er, wie es ihn ganz wegriß.
»Wenn Sie wüßten, was es heißt, im Untergrund zu leben! Irgendwann kommt der Punkt, an dem man nicht mehr weiß, ob sie noch suchen oder aufgegeben haben.
Das ist der schwierigste Moment. Weglaufen ist nicht so schlimm. Immer rechnet man mit allem, ist auf jedes Problem gefaßt und immer gut in Form. Immer viel Adrenalin im Blut, sozusagen. Das wirkt wie ’ne Droge, man ist immer richtig high. Das ist das Angenehmste im Leben eines Verbrechers. Immer ist man auf Achse, das ist richtig spannend und macht manchmal sogar Spaß. Aber nach einiger Zeit, ein paar Jahre später, vielleicht fünf, vielleicht schon zehn, da fragt man sich, was eigentlich los ist. Alles um einen herum hat sich geändert, nur man selber nicht. Auch wenn man arbeitet, als Mathelehrer an der High School oder als Maurer -
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