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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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daß irgend etwas geschah, nur daß ihre Hoffnungen mit jeder Minute, die verging, stiegen und dann wieder fielen.
    Richter Pearson hatte sich auf der Suche nach einer plausiblen, nichterschreckenden Erklärung für diesen Aufschub das Gehirn zermartert, aber es war ihm nichts eingefallen. Er wußte allerdings, daß Olivia sie immer noch benutzte, um irgend etwas herauszuschlagen. Und das bedeutete: Obwohl das Geld gezahlt worden war, blieb noch immer eine Schuld zu begleichen.
    In den Sekunden, die Olivia brauchte, um die Treppe hinaufzusteigen, hatte er ein unangenehmeres Gefühl im Magen als je zuvor während dieser Gefangenschaft. Er fürchtete, daß seine Hand oder Stimme zittern - und daß irgend so etwas seinen kleinen Enkel in Panik versetzen könnte. Von allen Dingen haßte er es besonders, wie sie ihn sein Alter und seine abnehmende Kraft fühlen ließ.
    »Hallo, Jungs«, sagte Olivia herzlich.
    »Wieso der Aufschub?« fragte er.
    »Es ist nur noch eine allerletzte geschäftliche Kleinigkeit zu erledigen«, sagte sie. »Ein paar letzte Punkte abhaken, das ist alles.«
    »Glauben Sie wirklich, daß Sie mit dem allen durchkommen werden?« fragte der Richter. Die Kraft seiner Worte überraschte ihn.
    Aber Olivia lachte. »Wir sind es bereits, Richter. Es stand von Anfang an schon fest, daß wir damit durchkommen würden. Sie überraschen mich. Sie wissen doch, daß die meisten Verbrechen niemals gelöst werden. Dieses ist natürlich nicht gerade ›ungelöst‹. Vielleicht ist ›unvollendet‹ ein besseres Wort.«
    Sie ging zu Tommy hinüber und nahm ihn beim Kinn.
    Sie redete mit dem Richter, starrte aber dabei in die Augen des Jungen, als ob sie darin etwas suchte.
    »Die besten Verbrechen, Richter, sind die, die kein Ende haben. In denen Drohungen und Möglichkeiten weiterbe-stehen. Die Verbrechen nehmen so ’ne Art Eigenleben an. Sie nehmen das Leben der Menschen völlig in Beschlag. Und so läuft das hier.«
    »Sie sind verrückt«, sagte er.
    Sie lachte wieder. »Vielleicht, Richter. Eine Menge von den Frauen im Gefängnis sind durchgedreht - wegen des Eingesperrtseins, wegen der Langeweile, wegen der Spannung, aus Haß. Vielleicht bin ich das auch. Aber Sie sollten sich besser daran gewöhnen. Ich werde von jetzt an mit zur Familie gehören. Was meinst du, Tommy? Eine exzentrische, unverheiratete Tante vielleicht. Du weißt schon - keine Kinder, ein bißchen gemein, ein bißchen sonderbar. Der Typ, den man zu allen Familienfeiern einlädt und dabei immer hofft, daß sie bloß nicht auftaucht.«
    Tommy antwortete nicht, und sie ließ sein Kinn los.
    »Sie haben hier oben überhaupt gar nichts mitgekriegt. Überlegen Sie mal, was ist geschehen? Ich habe Sie hier in ein Gefängnis gesteckt und die da draußen in ein anderes. Was hatten Sie sich denn eigentlich vorgestellt? Daß ich euch allesamt nach einer lächerlichen Woche auf Bewährung freilasse? So funktioniert das System aber nicht, Herr Richter. Sie stecken im Zuchthaus drin.«
    »Ist es das, was ich ihnen da draußen mitteilen soll?«
    »Nein.« Olivia schüttelte den Kopf. »Ich brauche dafür keinen Boten.«
    »Warum sagen Sie es uns dann?«
    »Seinetwegen, Herr Richter.« Sie zeigte auf Tommy.
    »Damit er es niemals vergißt.« Sie starrte auf Tommy hinunter. »Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, wie wichtig Sie hier für die ganze Sache sind«, fuhr sie fort.
    »Sie hier werden die da draußen immer daran erinnern. Damit sie’s nie vergessen.«
    Dem Richter kam ein furchtbarer Gedanke: Wie werden wir sie da draußen erinnern? Lebend? Oder tot?
    »Wann werden Sie mit uns fertig sein?« fragte er ruhig und versuchte seiner Frage den Klang einer Forderung zu geben.
    »Bald. In ein paar Stunden vielleicht schon. Spätestens morgen. Nur nicht die Hoffnung verlieren! Vielleicht machen sie keine Dummheiten. Bisher haben sie allen Befehlen gehorcht wie gute kleine Soldaten, was sie nun mal sind.«
    Sie zerwühlte Tommys Haar.
    »Denke einfach positiv«, sagte sie.
    Olivia winkte mit der Hand und ließ die beiden in der Dachkammer allein. Tommy wartete, bis er hörte, daß sie den Riegel vorgelegt hatte, und lauschte dann angestrengt auf den leisen Ton ihrer Schritte, der sich den Gang hinunter verlor.
    »Großvater«, sagte er zitternd und biß sich auf die Lippen, um nicht loszuweinen. »Sie lügt. Sie denkt gar nicht daran, uns gehen zu lassen. Sie haßt uns zu sehr. Sie haßt Mom und Dad zu sehr. Sie wird uns nie

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