Die Rache
der Klippe, baumelte mit den Beinen über dem Abgrund und war halb weggetreten. Ein kleiner Stoß, und Abes kosmische Ordnung wäre wiederhergestellt.
Hardy sah sich auf dem Plateau um. Abgesehen von ihm und Rusty war niemand hier. Er atmete ein und machte eine tiefe Kniebeuge, bis er den Boden berührte. »Komm«, sagte er, »ich bin reif fürs Bett.« Er würde ins El Sol zurückkehren, Abe anrufen und die Dinge für morgen oder übermorgen in Gang bringen und sich inzwischen überlegen, wie sie Rusty zurück in die Staaten bekommen würden.
Aber Rusty machte keine Anstalten aufzustehen. Statt dessen saugte er wieder an der Flasche und hob den Kopf kaum weit genug, um Tequila in den Mund zu bekommen. Hardy fragte sich, wie er noch funktionieren konnte mit all dem Alkohol, den er in sich hatte. Und er fragte sich, ob er selbst noch funktionierte.
Er trat einen Schritt näher. »Rusty?«
Plötzlich schüttelte Rusty den Kopf wie ein nasser Hund und stellte die Flasche auf dem Fels ab. Er schien zu versuchen, mit dem gesunden Arm sein Gleichgewicht zu halten, sich hochzustemmen, aber die Mühe war zu groß. Schwer sackte er zurück und fluchte.
Hardy wartete.
Rusty sank auf den Rücken, sah hinaus in die Sterne, ließ die Beine über die Klippe hängen. »Ich bin erledigt«, sagte er. Die Worte kamen nur noch lallend aus seinem Mund. »Völlig fertig, nichts mehr zu machen.«
Hardy nickte, näherte sich aber nicht. »Dann fahre ich eben allein«, sagte er. Er drehte sich um und ging los.
Es war Viertel nach zwölf, als er das Auto erreichte. Er setzte sich auf die Kühlerhaube und stützte die Füße auf den Kotflügel. Eine Viertelstunde später überlegte er, ob er nach Hause laufen solle. Aber er wußte noch nicht, wo Rusty wohnte, und wollte seine Spur nicht verlieren. Natürlich konnte er ihn draußen auf der Klippe lassen, hoffen, daß er schlafwandelte und so dem Ganzen selbst ein Ende setzte, aber das war wohl kein sehr vielversprechender Plan. Nein, er mußte Rusty im Auge behalten, seine Rolle als Freund weiterspielen, Abe hierher lotsen und Rusty dann hochnehmen.
Er ging wieder über das Plateau. Rusty hatte sich keinen Zentimeter weit bewegt. Die Flasche glänzte neben ihm im Mondlicht, sein gesunder Arm war ausgestreckt, er atmete schwer und laut. Sein Mund stand offen.
»Verdammt, Rusty.« Hardy trat hinter seinen Kopf und stieß ihn mit dem Fuß an. »Komm schon, gehen wir.«
Rusty bewegte sich nicht. Einen Moment lang dachte Hardy, er sei tot. Dann erinnerte er sich, daß Tote selten so laut atmeten. Er schüttelte den Kopf und überdachte die Situation. Rusty hatte einen verletzten Arm in der Schlinge und war voll wie ein Eimer. Er war keine große Bedrohung, oder, Diz? Er mußte Rusty am gesunden Arm packen, ihn wie einen Sack voller Steine vom Rand der Klippe wegziehen und irgendwie zum Auto schleppen, wenn er nicht die ganze Nacht hier herumsitzen oder nach Hause laufen und ihn möglicherweise aus den Augen verlieren wollte.
Er beugte sich vor und griff den gesunden Arm mit beiden Händen am Handgelenk. Der Arm blieb leblos, leistete keinen Widerstand. Hardy stemmte die Schuhe gegen den Felsen und begann zu ziehen. Endlich gab Rusty ein Geräusch von sich und drehte sich ein wenig. Hardy trat zurück, ließ ihn los. »Komm schon, steh auf.«
Rusty rollte sich wieder auf den Rücken. Es wurde langsam lästig. Verdammt, dachte Hardy und packte Rusty unter beiden Armen, beugte sich vor, um zu ziehen, und verlor für eine Sekunde die Balance.
Da bewegte sich Rusty. Seine Arme schnellten in die Höhe, packten Hardy bei den Schultern und zogen ihn vornüber, in einem Purzelbaum über Rustys Körper hinweg. Hardys Beine schossen ins Leere, er streckte die Arme, versuchte sich an Rusty festzuklammern, an irgend etwas, aber da waren nur noch die Nachtluft und der kalte, ferne Mond. Dann spürte er etwas unter seinem Fuß, einen schmalen Felsvorsprung, und sah einen von Rustys Füßen, der noch immer über dem Klippenrand baumelte, knapp über ihm, in Reichweite. Aber der Fuß bewegte sich, trat nach ihm, traf ihn an der Schulter und stieß ihn hinaus in die Dunkelheit.
25
Eine großartige Idee, die Flasche mit zu den Klippen zu nehmen. So hatte er es leichter vortäuschen können, daß er schwer betrunken sei. Er hatte sie nur alle paar Minuten an die Lippen heben und mit der Zeit ein wenig schwerzüngig sprechen müssen. Es hatte prächtig funktioniert.
Auf der Fahrt nach Hause war
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