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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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setzte sich auf eine geblümte Couch und wies auf einen Stuhl für Abe. »Nein, aber Sie wissen doch, wenn man getrennt lebt …«
    »Wollten Sie sie umbringen?«
    Ray sah über Glitskys Schulter und fixierte etwas hinter ihm so intensiv, daß Abe sich umdrehte. Die Wand war fast völlig mit Hochglanzfotos einer schönen Frau bedeckt. Glitsky stand auf und ging hinüber, um sie genauer zu betrachten. Auf einigen Bildern stand der Name Maxine Weir. Er versuchte, dieses umwerfende Gesicht mit der Frau in Verbindung zu bringen, die er heute morgen mit einer Halsstütze auf Rusty Ingrahams Lastkahn gefunden hatte. Es gelang ihm nicht.
    Ray war hinter ihn getreten.
    »Ich wollte, daß sie zurückkommt. Ich wollte nicht, daß sie stirbt.«
    »Wie steht’s mit ihrem Freund?«
    »Ihm habe ich den Tod gewünscht.«
    »Aber sie haben ihn nicht umgebracht?«
    Rays Blick wanderte zurück zu den Bildern. »Sieben Jahre.« Er schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, wie es ist, mit einer so schönen Frau zusammenzusein und von ihr geliebt zu werden? Es ist unvergleichlich. Wo du auch bist – du bist der stolzeste Mann der Welt. Irgendwie ist es dir völlig egal, was sonst noch so passiert. Ich meine die Sachen, die ich schreibe. Niemand will sie haben. Aber ich habe Maxine, und deshalb bin ich etwas wert. Verstehen Sie?«
    Glitsky konnte das nur andeutungsweise nachvollziehen. Seine Frau, Flo, war eine hübsche Frau, aber er maß seinen Wert bestimmt nicht daran, was andere Leute über sie dachten. Auch war ihm aufgefallen, daß Ray nicht abgestritten hatte, Rusty Ingraham getötet zu haben. Andererseits sagte er sich, daß Rusty offiziell noch nicht einmal tot war. »Liegt Ihre Trennung lange zurück?«
    »Heute sind es fünf Monate und elf Tage.«
    Immer wieder wanderte Glitskys Blick zu den Bildern zurück. Verschiedene Nacktaufnahmen waren darunter, ebenso geschmackvoll wie erotisch. So hatte sie heute morgen mit den Einschußlöchern im Leib nicht ausgesehen.
    »Wie ist sie an Ingraham geraten?«
    Ray versuchte zu lachen, aber es gelang ihm nicht recht. »Es war erbärmlich. Dazu müßten Sie sie kennen.«
    »Ich bin dabei, sie kennenzulernen.«
    Sie setzten sich wieder. Ray rauchte eine filterlose Camel. Glitsky entdeckte eine Zigarettenkippe mit Lippenstiftspuren im Aschenbecher. »Wie erbärmlich?« fragte er.
    »So war Maxine eben. Immer mußte sie etwas haben, wovon sie träumte. Ich vermute, das bringt die Schauspielerei mit sich. Vielleicht geht es uns Schriftstellern genauso … Ich glaube, das hat uns so lange zusammengehalten – dieser gemeinsame Traum.«
    »Was für ein Traum?«
    »Ach, der übliche, denke ich. Ruhm und Glück. Sie wird ein Star, ich schreibe das große amerikanische Drehbuch.« Er zog an seiner Zigarette, blies eine lange Rauchfahne aus, lehnte sich in die Couch zurück. »Dann hatte sie den Unfall, traf Ingraham, und der Traum wurde einfach ausgetauscht.«
    »Wogegen?«
    »Plötzlich drehte sich alles nur noch um Geld. Aus irgendeinem Grund gab Ingraham ihr das Gefühl, zu alt zu sein, um ein Star zu werden. Mit dreiunddreißig. Sehen Sie sie an, sie ist nicht zu alt.«
    Glitsky brauchte sich nicht umzudrehen, um sich daran zu erinnern, wie sie aussah. »Aber Ingraham hat ihr gesagt, sie wäre zu alt?«
    Ray schüttelte den Kopf. »Nicht so sehr gesagt. Er hat ihr einfach eingeredet, daß der Traum – unser Traum – nicht in Erfüllung gehen könne. Daß er unrealistisch sei. Als ob ein Traum realistisch sein müßte! Gott im Himmel.«
    »Was ist dann geschehen?«
    »Sie sah endlich eine Chance, schnell zu Geld zu kommen, ohne all die Zurückweisungen und Enttäuschungen.«
    »Wie das?«
    Ray sah Glitsky einen Moment lang überrascht an, als könne er nicht begreifen, weshalb das nicht längst allgemein bekannt war. »Nun, die Versicherung.«
    »Welche Versicherung?«
    »Sie hatte sich schwer am Rücken verletzt und den Hals verrenkt. Ingraham hing in der Notaufnahme herum, als sie eingeliefert wurde. Was für ein Drecksack der Kerl doch ist.«
    Ist, nicht wahr. Glitsky machte sich im Geiste eine Notiz.
    »Jedenfalls erklärte Ingraham ihr, er könne eine Entschädigung von hunderttausend oder mehr herausschlagen, und da kam ihr der Gedanke, daß sie das Geld, wenn sie tatsächlich soviel hätte, investieren könnte und ein paar Jahre lang nichts tun müßte. Weil ich nicht mitmachen wollte, hatte sie keinen Spaß mehr an mir … Ich würde sogar dann noch schreiben, wenn ich reich wäre.« Er

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