Die Rache
Spülbecken. Er tippte sich an die Stirn, schnappte sich ein frisches Glas und den süßen Vermouth und begann von neuem. »Ertappt«, sagte er.
»Kirsche«, erwiderte Moses, »ist die richtige Garnierung für einen Manhattan. Brauchst du deinen Mr. Boston ?« Das Handbuch für Barkeeper.
Hardy bereitete den Drink zu, servierte ihn dem Kunden und kam zurück zur Theke, wo Moses inzwischen auf seinem Hocker saß und mit seiner Schwester Frannie sprach.
»Er ist wie eine Thermoskanne«, sagte Hardy.
Frannie nippte an ihrem Mineralwasser. Sie sah fantastisch aus, fand Hardy – auf ihrem roten Haar glänzten Lichter, und die grünen Augen lachten schon beinahe wieder. »Eine Thermoskanne?«
»Du weißt, daß eine Thermoskanne Heißes heiß und Kühles kühl hält?«
»Ja und?«
»Nun …« Hardy hielt einen Moment inne. »Woher weiß sie, was heiß und was kalt ist?«
Frannie lächelte unglaublich attraktiv und sexy. Unglaublich, weil sie Moses’ kleine Schwester und im fünften Monat schwanger war. Unglaublich, weil Hardy sie kannte, seit sie auf die High School gegangen war. Unglaublich, weil sie schon wieder so gelöst war – Hardy hatte sie ein paar Wochen nach Eddies Tod zum letztenmal gesehen. Eddie, ihr Mann.
Hardy wandte den Blick von ihr ab und sah Moses zu, der sich auf dem Hocker zurücklehnte.
»Wenn ein Kerl Zitrone in einen Manhattan mischt, fühle ich das bis hinunter in meine Zehenspitzen.«
»He, ich bin ein bißchen durcheinander, in Ordnung?«
»Vielleicht liegt das an der Waffe.« Moses paßte es nicht, eine geladene Waffe hinter der Theke zu haben, aber Hardy war direkt aus der Stadt gekommen und hatte sie nicht im Samurai liegenlassen wollen.
»Was für eine Waffe?« wollte Frannie wissen.
»Vergiß es«, sagte Hardy.
Aber Moses klärte sie auf, zumindest teilweise.
»Heute morgen?« fragte Frannie. Sie schien plötzlich voller Sorge zu sein.
»Keine große Sache«, sagte Hardy.
»Irgendwelche Kerle versuchen dich umzubringen, und das ist keine große Sache?«
»Er hat Zitrone in einen Manhattan getan …«
»Ja, gut, es ist mir eben in den Sinn gekommen, klar?« Hardys Augen wanderten von Moses zu Frannie. »Es steht ja nicht mal fest, daß jemand mich wirklich umbringen will.«
»Aber du läufst mit einer Waffe herum.«
Hardy lehnte sich über die Theke. Er nahm den Duft von Jasmin wahr. »Frannie, ich habe die Waffe heute morgen mitgenommen. Ich habe es bisher nicht geschafft, sie nach Hause zu bringen. Das ist die ganze Geschichte.«
»Aber du wirst nicht nach Hause gehen?«
Er richtete sich auf. »Ich hatte eigentlich vor, dort zu leben und zu tun, was ich immer getan habe.«
»Aber was ist, wenn der Kerl versucht, dich zu erwischen? Was ist, wenn er zu dir nach Hause kommt?«
»Um die Wahrheit zu sagen, mache ich mir mehr Sorgen darum, daß ich gezwungen oder in Versuchung geraten könnte, ihn zu töten, wenn ich ihn sehe. Das, so meinte mein Freund Abe, wäre nämlich ein Problem.«
»Ich finde, du solltest nicht nach Hause gehen. Ich finde, es ist zu gefährlich.«
Hardy tätschelte Frannies Hand auf der Theke. »Okay«, sagte er, um das Thema zu beenden.
Moses war aufgestanden und zapfte ein Bass Ale aus dem Faß. »Was hältst du davon, dich ein bißchen als Barkeeper zu betätigen?«
»Ich rede mit deiner Schwester.«
»Aber ich bin heute mit ihr verabredet. Ich habe frei und zapfe Bier … Irgendwas stimmt hier nicht.«
Frannie nahm impulsiv Hardys Hand und drückte sie. »Ich meine es ernst«, sagte sie. Sie tauschten einen Blick. Hardy hatte sich immer wieder gesagt, daß er nicht besonders besorgt war. Natürlich war er ein wenig unruhig, aber die rasende Angst, die er am Morgen in Rustys blutdurchtränktem Schlafzimmer empfunden hatte, war vorüber.
Jetzt kehrte durch Frannie, die gerade erst davon gehört hatte, etwas von der Angst zurück. Und es war eine Tatsache, daß er den Manhattan mit Zitronensaft garniert hatte. Er versuchte sich einzureden, daß Frauen eben nervös waren, vor allem Frannie, die gerade erst ihren Mann verloren hatte. Aber plötzlich war er nicht mehr sicher, daß das alles war.
»Zwei Margueritas ohne Salz«, rief Moses herüber, und Hardy begann, den Mixer zu füllen. Moses schob sich neben ihn. »Auch ohne Zucker«, sagte er.
Hardy schaffte es nicht, die Einnahmen richtig zu addieren, und er hatte noch ein paar andere fürchterliche Drinks zubereitet. Gin und Cola. Rum und Ginger Ale. Der Gedanke machte ihn
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