Die Rache
der Eingangshalle auf und ging über den Marmorfußboden bis zu den aufgereihten Briefkästen, unter denen die Klingelknöpfe waren. Bram und Sally Smyth wohnten in Nummer 320.
Er drückte die Klingel und wartete zehn Sekunden, dann drückte er noch mal. Er warf einen Blick auf die Uhr. Er wußte, daß seine Ungeduld ihn dazu trieb, Dinge zu übereilen. Er wartete dreißig Sekunden.
Okay.
Als er bei 112 – der dritten Wohnung – klingelte, bekam er Antwort. Er habe eine Lieferung für Mister … er warf einen Blick auf die Briefkästen der anderen beiden Wohnungen, wo niemand geantwortet hatte … für Mister Ortega in 110. Ob er das bei ihr abgeben dürfe?
Er blieb an der inneren Tür stehen, bis der Summton kam. Dann drückte er sie schnell auf und schlüpfte hinein. Während er die Treppen hinaufeilte, dachte er, was für ein Witz diese gesicherten Gebäude doch waren.
Der Flur im dritten Stock war groß, still und mit einem Teppich ausgelegt. Er fand die Tür der Smyths gleich rechts neben dem Treppenhaus, legte ein Ohr daran und lauschte einen Moment lang. Von drinnen war ein Gespräch zu hören. Er klopfte.
Das Gespräch verstummte. Er konnte sich vorstellen, wie Smyth einen Finger auf die Lippen legte.
Na komm schon. Mach es uns doch nicht so schwer.
Johnny LaGuardia hatte verschiedene Waffen, die er für unterschiedliche Aufgaben benutzte, aber die schallgedämpfte Uzi war wohl doch sein Liebling. Wie die Burschen vom Geheimdienst trug er sie in einem verdeckten Halfter unter dem Arm. An seiner Feuerkraft gemessen, war das Ding wirklich klein, und es ließ sich unter seinem Sportjackett gut verbergen.
Er schob das Jackett zurück und zog die Uzi hervor. Er hörte, wie sich in der Wohnung jemand bewegte.
Er hätte einfach warten können. Er wußte, daß Smyth nach ungefähr fünf Minuten zur Tür schleichen, lauschen und dann – bei vorgelegter Kette – die Tür einen Spalt öffnen würde. Aber Johnny hatte eine Verabredung mit Doreen, und er war schon spät dran. Er hatte Smyth eine Chance gegeben, die Sache zivil zu regeln.
Er ging auf die andere Seite des Flurs und zielte auf das Schlüsselloch. Das war der größte Spaß an der Sache – das leise, klickende Geräusch der Waffe, und dann wurde die Tür nach drinnen geschleudert. So weit die Kette reichte.
Mit gesenkter Schulter nahm er ein paar Schritte Anlauf und warf sich gegen die Tür. Die Kette gab nach wie ein Lamettafaden.
Bram Smyth und – wie Johnny vermutete – Sally fuhren halb aus ihren Stühlen hoch und starrten auf den Eingang, auf ihn. Ihm wurde bewußt, daß er die Waffe noch in der Hand hielt. »Bram, verdammt«, sagte er. Er begann, den Schalldämpfer abzuschrauben.
Smyth sah aus, wie Yuppie-Börsenmakler eben aussahen. Er hatte noch seine Krawatte um und trug Mokassins mit Quasten.
»Hatten wir nicht eine Verabredung?«
Bram sah nach der Frau und rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Ach, war das heute? Ich dachte, es wäre morgen. Tut mir leid. Ich habe das …«
Johnny schüttelte den Kopf. »Du hast die Klingel nicht gehört? Du hast nicht gehört, daß ich heraufgekommen bin und geklopft habe?«
Bram machte eine vage Geste. »Johnny … Wir haben hier ein romantisches Abendessen. Das heißt, wir hatten …« Erneut sandte er seiner Frau ein Lächeln zu. Alles unter Kontrolle, signalisierte er, der Schlappschwanz. Abgesehen davon, daß gerade jemand meine Tür zerschossen hat. »Manchmal mag man sich eben nicht unterbrechen lassen.« Er hob die Hände. »Ungünstiger Zeitpunkt, denke ich. Hab’ ich recht?«
Johnny sah nach der Frau, die sich zurückgesetzt und die Beine übereinandergeschlagen hatte und an ihrem Weißwein nippte. Sie verhielt sich ganz normal, versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber ihre Hände zitterten.
Sorgfältig verstaute Johnny die Waffe im Halfter. Er nickte Sally zu, lächelte Bram an und sagte: »Bitte entschuldigen Sie uns einen Moment. Bram, können wir im Flur eine Sekunde miteinander reden?«
Sie gingen in den Flur und zogen die zerschossene Tür hinter sich zu.
»Morgen habe ich es«, sagte Smyth. »Ich dachte, es wäre morgen, Johnny, ich schwöre bei Gott!«
»Achthundert bis morgen.«
Smyth riß die Augen auf. »Vierhundert, Johnny.«
Johnny schüttelte den Kopf. »Seit wann zahlst du schon am Donnerstag? Seit vier Monaten? Fünf? Also wird die Gebühr bis nächste Woche fällig.«
In ungefähr zwei Minuten würde der Kerl sich seinen hübschen Anzug bepinkeln.
Weitere Kostenlose Bücher