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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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ein Kind im Leib trug, war kaum zu erkennen. Sie trug noch keine Umstandskleidung, obwohl sie, wie Hardy wußte, fast im fünften Monat war. Bei Erstschwangerschaften kam das oft vor. Als Jane mit Michael schwanger gewesen war, war es auch so gewesen. Ihr Körper hatte sich äußerlich fast sechs Monate lang nicht verändert, nur die Brüste waren voller gewesen, und dann, urplötzlich, war der Leib vorgetreten, und alles war auf einmal viel wirklicher erschienen.
    Hardy nahm Frannies Anblick in sich auf, ihr rotes Haar, ihre wachsamen grünen Augen. Sie nippte an ihrem koffeinfreien Kaffee. Sie trug ein wenig Make-up um die Augen, ein wenig Lippenstift. Ihre Wangen, die vor Kummer eingefallen gewesen waren, waren wieder voller, und es fiel ihr wieder so leicht zu lachen wie früher. Gerade jetzt lachte sie.
    »Und was soll ich machen, wenn ich nicht arbeite?«
    »Bonbons essen. Seifenopern im Fernsehen sehen. Einkaufen gehen. Eine Frau der Muße sein.«
    »Nette Vorstellung vom Leben als Frau.«
    »Na schön, wie wäre es damit, Astronaut zu werden, für den Kongreß zu kandidieren oder Mahlers Fünfte zu dirigieren?«
    »Schon besser.«
    »Aber du bist schwanger und solltest ein bißchen kürzer treten bis zur Geburt des Babys.«
    »Wenn ich zu kurz trete, werde ich fett.«
    »Das wirst du sowieso.«
    Sie sah ihn schmollend an. »Ich werde nicht fett. Ich bin schwanger. Das ist ein Unterschied, Mr. Hardy. Ich wäre dankbar, wenn du dich daran erinnern würdest.«
    Hardy sah auf ihren Bauch. »Entschuldige, Kleines«, sagte er zu dem Bauch, langte hinüber und tätschelte ihn.
    Sie legte ihre Hand auf seine und ließ sie einen Moment lang dort. »Ich kann es immer noch nicht ganz glauben«, sagte sie. »Wenn es wenigstens strampeln würde oder so was. Aber es gibt überhaupt kein Zeichen …«
    Hardy zog seine Hand weg und sah eine Sekunde lang auf ihre Brüste. »Doch, gibt es«, sagte er.
    Sie lachte verlegen und nippte an ihrem Kaffee. »Ich weiß nicht … Ich glaube, ich werde bis zur Geburt arbeiten. Es ist schön, nicht auf Geld angewiesen zu sein, aber ich will beschäftigt bleiben. Wenn ich zu viel Zeit zum Denken habe …«
    Hardy wußte, was zu viel Zeit zum Denken anrichten konnte. Frannie hatte von Eddies Lebensversicherung nahezu eine Viertelmillion Dollar bekommen. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt und würde noch genug Zeit haben, nicht zu arbeiten, wenn sie es denn eines Tages wollte.
    Er streckte die Hand aus und tätschelte ihre. »Zeit, mich rauszuschmeißen.«
    »Es tut mir leid wegen der Couch«, sagte sie.
    »Die Couch ist prima.«
    »Du hast tatsächlich Probleme, nicht wahr?«
    Hardy schüttelte den Kopf. »Keine Probleme. Vielleicht bin ich ein bißchen in Gefahr. Deshalb brauche ich einen Ort, an dem niemand mich vermuten würde.«
    »Und deshalb trägst du auch eine Waffe mit dir herum.«
    »Ja.«
    Frannie stellte den Becher ab. »Es fällt mir noch immer schwer zu glauben, daß Leute einfach am Morgen mit der Absicht aufstehen, loszugehen und jemanden zu erschießen.«
    Hardy nickte.
    »Und du bist sicher, daß dieser Mann …«
    »Louis Baker.«
    »Louis Baker. Du bist sicher, daß er deinen Freund getötet hat?«
    Hardy dachte die paar Sekunden lang darüber nach, die er brauchte, um seine Tasse zu leeren. Dann nickte er erneut. »Ja.«
    »Warum hat Abe Glitsky ihn dann gestern nicht verhaftet?«
    Auch Hardy hatte letzte Nacht lange darüber gegrübelt. Warum war Abe nicht einfach hingefahren und hatte ihn auf offener Straße verhaftet? Obwohl es ihm Kopfschmerzen bereitete, sagte er nur, was Abe ihm erzählt hatte: daß es noch andere Verdächtige gab.
    »Aber hätte er nicht mehrere Personen festnehmen und befragen können?«
    Hardy schüttelte den Kopf. »Man verhaftet nicht gern Leute ohne Haftbefehl. Abe hat gesagt, es gebe für meinen Verdacht keine Beweise.«
    »Gibt es denn deiner Meinung nach welche? Beweise, meine ich.«
    »Ich weiß nicht. Das wird sich herausstellen.«
    »Aber du bist sicher, daß er es getan hat?«
    Sie saßen an einem Teakholztisch in der runden Frühstücksnische draußen, hinter der Küche. Hardy blickte über Frannie hinweg, den Hügel hinunter auf die Schulbushaltestelle an der Ecke. Ungefähr ein Dutzend Schüler sprangen dort herum – vorwiegend schwarze. Einen Augenblick lang fragte sich Hardy, ob seine Angst vor Baker womöglich etwas mit dessen Hautfarbe zu tun hatte. Natürlich gab es andere Möglichkeiten, andere Ereignisse, die sich auf

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