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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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wußte, für wie lange es sein würde?
    Zu lange nicht. Wenn Glitsky nichts unternahm, würde er selbst es tun. Baker stellen, ihm ein Geständnis abringen.
    Und dann? Ihn niederschießen? Er schreckte vor dem Gedanken zurück, aber so fern lag diese Möglichkeit nicht.
    Er trank das Guinness aus, zog die Pfeile der letzten Runde aus dem Brett, nahm die Waffe, trug das leere Glas zum Spülbecken und schaltete die Lampen über der Uhr auf dem Kaminsims aus. Er verließ die Bar durch die Vordertür und blieb unterhalb des Bürgersteigs stehen. Die Hand am Kolben der Waffe, verfolgte er die Schatten und lauschte.
    Eine dichte, hohe Wolkendecke hing am Himmel, und es war nicht sehr kalt. Der Verkehr auf dem Lincoln Way war gering. Hardy stieg zum Bürgersteig hoch, wandte sich nach rechts und ging schnell um die Ecke zurück zur Zehnten Straße, wo er geparkt hatte.
    Als er am Abend zur Arbeit gekommen war, war er so zerstreut gewesen, daß er das Verdeck des Samurai offen gelassen hatte, und als er jetzt auf den feuchten Fahrersitz glitt, sah er, daß jemand das Handschuhfach geöffnet hatte. Papiere waren über den Beifahrersitz und den Boden verstreut.
    Wieder sah er sich um, aber er nahm keine Bewegung wahr. Hinter ihm, jenseits der nahen Gebäude, erhob sich der Sutro Tower vor dem zunehmenden Mond wie ein Skelett vor den geballten Wolken.
    Hardy legte den Gang ein und steuerte in den Lincoln, dann in Richtung Stanyan und Tower. Ein Skelett, nur ein Gerüst aus Metall, Streben und Balken – ein Götzenbild des großen Gottes Fernsehen. Vielleicht würde es ihm helfen, den Turm aus der Nähe zu sehen. Es hatte keinen Sinn, sich von der Einbildungskraft fertigmachen und vom Verstand Streiche spielen zu lassen.
    Aber Rusty Ingraham war vermißt. Tot. Das war kein Streich. Er war zu Hause und gewarnt gewesen, und doch hatte Louis Baker eine Möglichkeit gefunden, ihn sich zu schnappen. Hardy war sicher, Louis würde auch eine Möglichkeit finden, sich ihn zu schnappen.
    Er fuhr weiter, ohne zu wissen, wohin.

 
  6
     
    »Warum arbeitest du noch?«
    Der Kaffee war sensationell – Graffeo’s Bester , in einer Espresso-Maschine zubereitet. Hardy, nach einer unruhigen Nacht auf Frannies Couch reichlich müde, trug noch die Kleider, in denen er um zwei Uhr nachts hier angekommen war. Über den dampfenden Becher hinweg musterte er Frannie Cochran.
    Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, hatte der Tod ihres Mannes ihr noch die Luft abgeschnürt.
    Vier Monate davor hatte er jedem die Luft abgeschnürt. Vor allem, weil es zuerst den Anschein hatte, als hätte Eddie Cochran – fünfundzwanzig, Idealist, glücklich verheiratet mit einer Frau, die ihr erstes Kind erwartete – sich im Herbst auf dem Weg zur Stanford Business School selbst das Leben genommen.
    Aber weder Moses noch Hardy konnten das glauben, und sie waren entschlossen, dafür zu sorgen, daß Frannie die Viertelmillion Dollar Versicherungssumme bekommen würde, falls Eddie tatsächlich ermordet worden war. Moses bot Hardy fünfundzwanzig Prozent des Little Shamrock an, wenn Hardy sich wieder als Polizist ausgeben würde und beweisen könnte, daß Eddie nicht Selbstmord begangen hatte. Hardy schlug ein.
    Die Konfrontation mit Eddies Tod brachte auch für Hardy ganz persönlich etwas. Früher hätte es nicht seinem Lebensplan entsprochen, eine irische Bar in San Francisco zu führen. Wie Eddie Cochran brannte auch er einst vor Idealismus und war entschlossen, gute Werke zu tun. Aber die Flamme brannte im Laufe seiner Karriere als Jurist und seiner Ehe mit Jane – als Spätfolge des Todes seines Sohnes – nieder. Michael war sieben Monate alt gewesen, als Hardy eines Nachts das Gitter seines Kinderbettes halboffen gelassen hatte. Zum erstenmal war es dem Kind gelungen, sich selbst hochzuziehen. Fast eineinhalb Meter war Michael hinuntergefallen. Er war mit dem Kopf aufgeprallt.
    Danach hatte Hardy sich gehenlassen. Verdammt wollte er sein, wenn er sich noch um Dinge scherte, die so tief verletzen konnten. Moses McGuire, dem Hardy in Vietnam das Leben gerettet hatte, gab ihm Arbeit als Barkeeper im Little Shamrock, und so verstrichen die Jahre, eines wie das andere.
    Bis Eddie starb. Bis Eddie ermordet wurde. Das aufzuklären, sich mit dieser Angelegenheit zu beschäftigen, hatte etwas in Hardy wieder zum Leben erweckt. Auch wenn es in Frannie etwas getötet hatte.
    Aber jetzt sah sie wieder lebendig und blühend aus, im wahrsten Sinne des Wortes, und daß sie

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