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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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ihrem Arm liegen und spürte die volle Rundung ihrer Brust, als er sie ein wenig von sich drückte, um sie besser ansehen zu können. »Von diesem Moment an«, sagte er, »schulden Sie mir nichts mehr. Nur ein Lächeln auf Ihrem schönen Gesicht.«
    Er berührte ihren Mundwinkel mit einem Finger und hob ihre Lippe wie bei einem Baby. »Ein kleines Lächeln«, wiederholte er.
    Sie versuchte es, und er berührte ihre Lippen erneut. Als das Lächeln sich endlich zeigte, brach es ihm fast das Herz.
    Er würde sich Johnny LaGuardia vornehmen müssen.
     
    Flo Glitsky und Frannie Cochran spülten zusammen das Geschirr ab und beobachteten Dismas und Abe, die draußen auf dem kleinen Spielplatz waren. Der Platz grenzte an den Hinterhof, den sich die Glitskys mit den Mietern in der unteren Wohnung teilten. Nach O. J.’s Geburt waren sie in das Doppelhaus gezogen, ein eigenes Haus hatten sie sich von Abes Gehalt in San Francisco bisher nicht leisten können.
    Inzwischen wäre das völlig unmöglich, doch wenigstens war die Miete des Doppelhauses gesetzlich limitiert, und sie bezahlten weniger als die meisten Leute, die sie kannten. Flos Traum vom eigenen Haus würde sich nicht erfüllen, aber sie hatte ihre drei gesunden Söhne und ihren Mann, der sie liebte, und wenn dies der Preis dafür war, so war sie bereit, ihn jeden Tag von neuem zu bezahlen.
    »Ziehen Sie wirklich fort?« fragte Frannie.
    Flo stellte sich diese Frage seit zwei Tagen. Sie hatte Abe noch nie so verzweifelt gesehen. Er hatte sich bei der Polizei von Los Angeles beworben und sprach über den Umzug, als sei alles schon geregelt. Aber wenn Abe die Miete hier schon für hoch hielt, dachte Flo, dann hatten sie in Los Angeles keine Chance.
    Sie hatte außerdem gehört, daß die öffentlichen Schulen dort in schlechtem Zustand seien und die Lehrer eher Aufsichtsbeamten glichen, deren Arbeit darin bestand, die Kinder bis drei Uhr nachmittags drogenfrei und von der Straße fernzuhalten. Privatschulen mochte Flo nicht, und ganz abgesehen davon, konnten sie sich auch keine leisten. Doch alle ihre Söhne sollten eine gute Ausbildung erhalten.
    Flo schüttelte den Kopf. »Ich lasse Abe Zeit herauszufinden, was er herausfinden muß, dann treffen wir eine Entscheidung.«
    »Ja«, sagte Frannie, »so haben Eddie und ich es auch immer gehandhabt. Meine Wünsche, seine Wünsche, hin und her, bis wir uns irgendwo trafen.« Sie säuberte einen Teller. »Ich bin es nicht mehr gewöhnt. Es fehlt mir.«
    Flo nahm den Teller und trocknete ihn. »Wie lange ist es her?«
    »Viereinhalb Monate.«
    Wie alle Ehefrauen von Polizisten, die Frannie kannte, erlaubte es sich auch Flo nicht oft, daran zu denken, daß sie ihren Mann verlieren könnte. Es war eine Möglichkeit, die sein Beruf mit sich brachte, und sie mußte sie akzeptieren und damit leben, wenn sie mit Abe zusammenbleiben wollte.
    »Sie tragen es besser, als ich es könnte«, sagte Flo.
     
    Abe trat nach dem Boden unter der Schaukel. Seine Arme waren um die Ketten geschlungen, und durch den Tritt geriet er ins Trudeln. Er sah Hardy an, dann wandte er sich wieder ab.
    »Wie willst du ein guter Polizist sein, wenn du dir keine Mühe mehr gibst?«
    »Wer gibt sich denn noch Mühe?«
    Hardy wartete, bis Abe sich ihm wieder zuwandte. »Ungefähr vier Leute, würde ich sagen, und du warst immer einer davon.«
    Glitsky drehte sich mit der Schaukel hin und her und schüttelte den Kopf. »Von jetzt an bin ich ein richtiger Polizist – ich mache das, wofür ich bezahlt werde. Das Gesetz hüten.«
    »Und die hohen Tiere entscheiden?«
    »Genau.«
    Hardy machte am Gerüst der Schaukel ein paar Klimmzüge. Wie Kinder spielten die beiden Männer auf dem Spielplatz.
    »Lanier organisiert die Übergabe«, sagte Abe. »Sie geben McFadden meine Fälle, weil der neben mir der zweite ist, der allein arbeitet. Baker wird verurteilt, wie es sich gehört, und die Ordnung des Kosmos ist wieder hergestellt.«
    Hardy hängte sich an das Gerüst. »Liest du Shakespeare?«
    Glitsky rutschte von der Schaukel. »Kritizismus – Der tragische Irrtum von Krutch. Du solltest mal reinsehen. Er sagt, es könne keine Tragödie ohne den Glauben an eine endgültige Ordnung geben, die zerstört und neu errichtet werden kann. Er nennt diesen Glauben ›Zeitgeist‹.«
    »Zeitgeist!« fragte Hardy.
    »Ein deutsches Wort.«
    »Weiß ich, Abe, ich habe einen Hochschulabschluß.«
    »Er sagt, es gebe keine modernen Tragödien, weil wir nicht mehr an die Bedeutung

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