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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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der Film war nicht gerade ein Geniestreich. Man machte Kompromisse, wenn man am Anfang stand, sich das Vertrauen erst noch erwerben mußte. Jeder im Filmgeschäft verstand das. Die Szenen vorhin, in denen sie es fast mit Bryan tat – dem gemeinsamen Freund, der den Stiefvater spielte –, waren wirklich einfühlsam, dachte Ray, obwohl Warren sich alle Mühe gegeben hatte, sie zu vermasseln. Maxine hatte nach dem Drehtag mit ihm darüber gesprochen, über die Tricks, die sie benutzen oder vermeiden mußten, damit es echt wirkte. »Du weißt schon, das Eindringen …«, hatte sie gesagt.
    Der Film hatte der erste Schritt in einer langen Karriere werden sollen. Sie wollten weiterarbeiten und ein filmisches Lebenswerk schaffen – geschrieben von Ray Weir, mit Maxine als Star …
    Sie waren nicht zu alt, obwohl Maxine deswegen am Ende aufgegeben hatte. Rusty Ingrahams Werk – der Pessimismus, die Veränderung in ihr.
    Er rutschte im Stuhl herum. In dem flackernden Licht sah er, daß alle im Zimmer dem Film aufmerksam folgten. Bryan war da, natürlich ohne Freundin. Warren hatte seinen Arm um Courtenay gelegt, die beim Schnitt gute Arbeit geleistet hatte. Die Kopie war klar und sauber. Eine professionelle Arbeit. Drehbuch: Ray Weir.
    Sie konnten ihre Augen nicht von Maxine abwenden, aber es war seine Story, die sie in ihren Bann zog. Vergeßt das nicht.
    Er drehte sich ein wenig um. Der Mann, der vorhin gekommen war, ging eben an der hinteren Wand entlang, die Hände in den Taschen, und betrachtete die Fotos von Maxine. Vielleicht wieder ein Polizist, der ihn sprechen wollte.
    Teufel, Ray, dachte er, was unternimmst du wegen Mittwoch nacht? Er sah wieder zu Courtenay hinüber, die sich an Warren lehnte und ihm etwas zuflüsterte. Auf der Leinwand fror das Bild von Maxines perfektem Körper mitten im Sprung ins Wasser ein. Ohne Musik wirkte der Film eigenartig leer. Nach und nach drangen die Geräusche des Projektors in sein Bewußtsein.
    Dann stellte jemand das Licht an, und Applaus brandete auf. Courtenay kam zu ihm, umarmte ihn, zog ihn hinüber zu Warren. Auch Bryan verbeugte sich. Unvermittelt begann Ray selbst zu klatschen.
     
    Courtenay Moran war beinahe einen Meter achtzig groß und trug ihre blonden Haare einen Zentimeter kurz, nur im Nacken hatte sie eine lange Strähne, die mit einem rosa Band zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war.
    »Ein bißchen früh für eine Party«, sagte Hardy. »So kurz nach dem Tod seiner Frau.«
    Er sah zu, wie sie den Rauch zur Decke blies. Sie standen im Treppenhaus vor der offenen Tür von Rays Apartment. Hardy hielt eine Dose Bier in der Hand und lehnte am Türpfosten. Im Wohnzimmer, wo der Film gezeigt worden war, drängten sich die Gäste, bildeten kleine Gruppen, die eilig wieder auseinandergingen. Er wußte weder, wie man diese Art von Gesprächen nannte, bei denen man mit niemandem länger als vierzig Sekunden sprach, noch, welchen Sinn sie hatten. Ihm jedenfalls brachten sie nichts. So war er zu Courtenay in die Küche gegangen, weil sie schön war und weil er sie mit Ray hatte sprechen sehen.
    Sie trug eine lederne Fliegerjacke, die ihre ohnehin breiten Schultern noch breiter wirken ließ. Ihre Augen waren von einem sehr dunklen, schwarzblauen Make-up ummalt, das sie in dem milchweißen Gesicht betonte. Auf einem Foto mochte Courtenays Gesicht mager und knochig erscheinen, dachte Hardy, aber hier und jetzt saß jeder Knochen am richtigen Platz.
    »Wer feiert eine Party?« fragte sie. »Nennen Sie das eine Party?«
    Hardy sah wieder ins Wohnzimmer. Eine Platte spielte einen schnellen südamerikanischen Rhythmus, und einige Gäste tanzten. »Eine Trauerfeier ist es nicht gerade«, bemerkte er. Er hatte den Eindruck, daß einige der Tänzer versuchten, bekleidet zu kopulieren.
    »Lambada«, sagte Courtenay. »Es ist harmlos.«
    Er trank sein Bier aus. Manchmal war es Zeitverschwendung, einer Spur nachzugehen. Vielleicht gehörte der Besuch bei Ray Weir in diese Kategorie.
    Er betrachtete die Tänzer eine weitere Minute lang. »Kommt mir vor wie ein Vorspiel«, sagte er.
    »Das hängt davon ab, wie gut man es kann.« Sie lächelte und sah ihm in die Augen.
    Er zog die Tür zu, und sie standen allein im Treppenhaus. Die Musik drang leise zu ihnen. Courtenay trat zu ihm, legte ihm die Hand in den Nacken und küßte ihn. Sie war so groß wie er, und deshalb kam ihm der Winkel ungewohnt vor, aber es war ein schöner Kuß. Er fragte sich, ob er ihn nicht bereitwilliger

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