Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
Vom Netzwerk:
sie setzte sich und richtete ihre Kleidung, dann wandte sie sich ihm zu. Sie saß jenseits des einfallenden Lichtes, das zwischen ihnen lag. Tortoni hob die Hand und strich ihr sanft über das mißhandelte Gesicht.
    »Wer hat Ihnen das angetan?«
    An der Tür klopfte es. Angelo blieb sitzen. »Vieni.«
    Pia trat mit einer Flasche und zwei Gläsern ein. Er wies sie an, die Flasche in den silbernen Behälter auf dem Schreibtisch zu stellen. Sie schenkte – wie es der Höflichkeit entsprach – nur ein Glas ein und reichte es ihm, aber er wies mit der linken Hand auf die Frau, und sie gab das Glas Doreen. Nachdem Pia auch ihm ein Glas eingeschenkt hatte, ging sie wieder und schloß leise hinter sich die Tür.
    Angelo streckte die Hand mit dem Glas aus, sie hob das ihre, sie stießen an, tranken. Prismen von geschliffenem Kristall tanzten im Zimmer. Er bemerkte, daß sie das Glas im Schoß mit einer Hand am Stiel hielt, die andere lag auf ihrem Bauch. Sie folgte seinem Blick nicht.
    »Bitte verzeihen Sie, daß ich Sie am Tag des Herrn störe.«
    Angelo winkte ab. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich schulde Ihnen Geld, und ich schulde Ihnen Dankbarkeit.«
    Er nickte. Das war ein guter Anfang. Sie war nicht hier, um sich über die Leihgebühr zu beklagen.
    »Und ich habe große Angst.«
    Angelo nippte an seinem Wein. Er sah, wie ihre Unterlippe zu zittern begann, aber sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle und atmete tief ein.
    »Hier brauchen Sie keine Angst zu haben«, sagte er.
    Sie sah auf ihren Schoß. Als sei sie überrascht, das Weinglas dort zu finden, hob sie es an die Lippen. »Ich möchte Ihnen das Geld zurückzahlen …« Sie zögerte. »Aber ich muß … muß um andere Bedingungen bitten.«
    Angelo war verwirrt. Nach seinem Gespräch mit Johnny war er sicher gewesen, die Dinge würden sich jetzt regeln. »Ist die Leihgebühr zu hoch?«
    Sie schüttelte den Kopf, blieb stumm sitzen. In ihr geschwollenes Auge trat eine Träne. »Darum geht es nicht. Ein paar Wochen lang konnte ich die hundert Dollar pro Woche bezahlen. Danach …« Sie hielt inne, riß sich zusammen. »Danach habe ich keine Gebühr mehr bezahlt. Johnny LaGuardia …« Sie blickte auf, ihre großen, braunen Augen schwammen in Tränen. »Johnny …« Ihr Widerstand brach zusammen, und sie begann zu weinen.
    Angelo nahm ein fleckenloses weißes Baumwolltaschentuch aus seiner Hemdtasche und berührte ihr Gesicht damit. Er sah zu, wie sie sich zu sammeln versuchte, und fügte währenddessen die Puzzlesteine zusammen. Zorn stieg in ihm hoch. Johnny hatte andere Kunden geschröpft, um Doreens Gebühr zu begleichen. Wenn sie ihre hundert Dollar nicht aufbringen konnte, hieß das, daß er auf eigene Faust andere Kunden ausnahm – vielleicht den auf mysteriöse Weise verschwundenen Rusty – und es sich von Doreen auf andere Art zurückholte.
    Doreen schneuzte sich, wischte die Tränen fort. »Mi scusi, Mr. Tortoni.«
    Am schlimmsten war, daß Johnny LaGuardia ihm Doreen Biaggi als ein Geheimnis vorenthalten hatte. Eine Frau wie sie, in ihrer Situation, konnte für Angelo unbezahlbar sein. Vielleicht nicht im direkten Sinn, dazu hatte sie zuviel Klasse. Aber zweifellos konnte eine Frau mit ihrer Grazie und ihrer Erziehung, ihrem Aussehen und ihrem Auftreten irgendwie eingesetzt werden – um einen Verbündeten zu gewinnen, einen Feind zu schwächen, einen Konkurrenten im legalen Geschäft zu blenden. Vielleicht sogar, um sie mit einem Sohn zu verheiraten.
    Angelo rückte näher zu ihr. Er wußte, daß das Sonnenlicht jetzt auf sein Gesicht fiel. Doreen sah verlegen in ihren Schoß, knüllte sein Taschentuch um den Stiel des Glases. Er betrachtete ihr Gesicht genauer. Sogar jetzt, dachte er, mit all den Schwellungen, war es von engelhafter Schönheit. Die Liebe und die Loyalität einer solchen Frau wären ein Geschenk Gottes. Er wußte, er konnte sie umsonst bekommen, denn Johnny hatte bereits genug Gebühren für sie bezahlt, um die Kreditsumme abzudecken – er würde nicht einmal viel Geld verlieren.
    Er hob ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. Er küßte sie auf die wunden Lippen, dann auf beide Wangen. Zärtlich rieb er mit dem Daumen eine Tränenspur unter ihrem linken Auge fort.
    »Sehen Sie mich an«, sagte er.
    Sie blickte auf. Johnny hatte ihr fast das ganze Gesicht zerbrochen. Angelo lächelte. »Wollen Sie mit mir und meiner Familie essen?« Er strich ihr mit der Hand über den Hals, die Schulter, ließ sie an der Seite unter

Weitere Kostenlose Bücher