Die Rache
zu.
Sie steckte die Hände in die Hosentaschen und verdrehte die Augen. »Komm, Warren«, sagte sie. »Du siehst doch, daß es gar nicht um Maxine geht. Laß ihn ein paar Geheimnisse haben.«
»Genau. Habe ich kein Recht auf ein Privatleben? Ein kleines Liebesleben?«
»Natürlich. Aber wenn es das ist, warum erzählst du mir dann nicht davon?«
Ray sah auf seine Schuhe. »Ich bin nicht gerade stolz darauf, Warren, aber gut, vielleicht solltest du es wissen. Schließlich sind wir Partner … Ich habe dein Klopfen gehört in jener Nacht. Aber ich … ich hatte jemanden bei mir. Eine Frau.«
Warren trat einen Schritt zurück. »Dann begreife ich das Problem nicht. Du hast dich nicht getraut, mir zu erzählen, daß du eine Frau hier hattest? Kenne ich sie?«
Ray schüttelte den Kopf. »Sie war eine …« Er unterbrach sich. »Ich habe sie bezahlt.«
Courtenay sprang ein. »Ray hat sich geschämt, Warren. Kannst du das nicht verstehen?«
»Aber dir hat er es erzählt?«
»Es ist ihm rausgerutscht.«
Warren legte wieder einen Arm um Ray. »Warum schämst du dich, Mann? Wir sind Freunde. Du kannst mir vertrauen.«
Ray zuckte die Schultern. »Wegen Maxine und dieser ganzen Geschichte, verstehst du …«
Warren blieb sachlich. »He, sie hat dich verlassen, erinnerst du dich? Du konntest schließlich nicht wissen, daß sie in dieser Nacht ermordet werden würde.«
»Sicher, aber … aber ich wollte dir und Court mit meinen Problemen nicht noch mehr auf die Nerven gehen. Aber ich habe jemanden gebraucht. Also …«
»Wir brauchen alle jemanden, nicht wahr? So ist es mir lieber, als wenn ich glauben müßte, daß du jemanden ermordet hättest. Ich konnte gar nicht verstehen, daß die Polizei dich noch nicht verhaftet hatte.«
»Ich habe der Polizei alles erzählt. Und Court auch. Ich wollte nur nicht, daß es sich herumspricht. Jetzt brauche ich wirklich ein wenig Schlaf, okay? Morgen wird ein anstrengender Tag.«
Noch immer produzierte die Autoheizung keine warme Luft, und bis zu Frannies Wohnung waren es nur noch ein paar Querstraßen. Hardy fragte sich, ob Luxusautos Heizungen hatten, die wirklich wärmten. Dann, so vermutete er, war den Leuten, die sich ein Cabriolet mit Stoffdach und Vierradantrieb kauften, wie er es getan hatte, Wärme nicht so wichtig. Ray Weir log. Er hatte der Polizei nicht gesagt, daß er ein Alibi besaß. Eher das Gegenteil, um genau zu sein. Wenn Louis Baker irgendwie aus der Sache herauskommen würde, wäre Ray Weir der neue Spitzenreiter in der Verdächtigen-Hitparade – vor allem wegen des finanziellen Aspekts. Er war eifersüchtig, in gewissem Maße auch geldgierig und darüber hinaus der Eigentümer der Mordwaffe. Warren hatte seinen Freund richtig eingeschätzt. Ganz abgesehen von dem Alibi, war Ray als Täter wie geschaffen.
In jedem seiner Knochen spürte Hardy, daß Ray bezüglich den Alibis gelogen hatte, auch wenn Courtenay ihm zu glauben schien. Die Menschen neigten dazu, die Geheimnisse zu glauben, die man ihnen anvertraute, besonders dann, wenn diese Geheimnisse, oberflächlich betrachtet, nicht unbedingt für den Gestehenden sprachen. Aus diesem Grund vertrauten clevere Leute – und in diese Kategorie mußte man Ray Weir allmählich einordnen – anderen mit Vorliebe intime Lügen an.
Eine wirkungsvolle Technik – Ray hatte Courtenay auf seine Seite bekommen, unterstützt vielleicht von ihrer Voreingenommenheit. Hardy fragte sich, ob sie Ray gefragt hatte, wer bei ihm gewesen war, aber er konnte es sich nicht vorstellen. Die Tatsache, daß Ray sich ihr ›anvertraut‹ hatte, hatte ihr genügt. Einzelheiten waren nicht wichtig. Ray fühlte sich schuldig, weil er mit einer anderen geschlafen und seine angebetete Maxine betrogen hatte – und das auch noch, wie sich herausgestellt hatte, in der Nacht ihres Todes. Natürlich mußte er es sich von der Seele reden, und am besten bei seiner engen Freundin Courtenay. Es verfolgte ihn. Machte ihn fertig. Na klar.
Hardy parkte gegenüber von Fannies Haus und schlug die Vorderräder quer ein, damit der Wagen nicht davonrollen konnte. Frierend saß er da, wärmte die Hände unter den Achseln und fragte sich, ob Glitsky sich wieder um die Sache kümmern würde, wenn er von den fünfundachtzigtausend Dollar erfuhr. Es konnte nicht schaden, ihn davon zu unterrichten …
Aber Warum? Warum nicht einfach zufrieden sein damit, daß Louis Baker wieder im Gefängnis war? War das nicht Hardys Ziel gewesen? Sollte er nicht
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