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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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allein das Datum schon einen zarten und kostbaren Klang hätte. »Erntejahr.Ich habe unser Souvenir aufbewahrt. Ich bin sentimental, wie du weißt.«
    »Du hast mein …« Helens Augen weiten sich vor Entsetzen.
    »Ja natürlich. Hättest du das nicht genauso gemacht?« Er wird dramatisch. »Hab ich mein Quartier nur in der Vorstadt Eurer Lust?« Er lächelt. »War eine rhetorische Frage. Ich weiß, dass ich das Zentrum der Stadt bin. Ich bin der Eiffelturm. Aber ja, ich habe dein Blut aufbewahrt. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Pete es erkennen würde. War immer schon ein Snob in Sachen Blut. Oh, und deine Briefe habe ich auch aufbewahrt …«
    Will stellt die Vase vorsichtig auf den Tisch zurück.
    Helen sieht ihn mit schlecht unterdrückter Wut an und flüstert: »Willst du mich erpressen?«
    Er blinzelt über den Vorwurf. »Mach deine Gefühle nicht schlecht, Helen. Du warst immer so nett in deinen Briefen.«
    »Ich liebe meine Familie. Das sind meine Gefühle.«
    Familie.
    »Familie«, sagt er. Allein das Wort klingt hungrig. »Sollen wir Pete da mit einbinden oder beschränken wir uns auf die Kids?«
    Helen funkelt ihn an. »Das ist lächerlich. Du glaubst, ich empfinde immer noch mehr für dich, weil du mich vor ihm konvertiert hast?«
    Und genau in dem Moment, als sie das sagt, kommt Rowan die Treppe herunter, ungehört, aber nicht ohne zu hören. Die Worte als solche versteht er nicht, aber er hört die Stimme seiner Mutter, die eindringlich klingt. Dann hält er inne und hört Will. Seine Worte sind laut und deutlich, ergeben aber keinen Sinn.
    »Vor ihm?«, sagt Will zornig. »Man kann nicht zweimal konvertiert werden, Helen. Du bist wirklich eingerostet. Vielleicht hättest du gern eine Erfrischung …«
    Rowan verlagert das Gewicht auf den linken Fuß und bringt eine Bodendiele zum Knarren. Das lässt die Stimmen verstummen, und für eine oder zwei Sekunden hört man nichts außer dem Ticken der kleinen, antiken Uhr neben dem Telefon.
    »Rowan?«
    Seine Mutter sieht ihn fragend an. Rowan überlegt, ob er etwas sagen soll. »Ich habe Kopfschmerzen«, sagt er schließlich. »Ich nehme eine Tablette. Und dann gehe ich nach draußen.«
    »Oh«, sagt sie nach einer längeren Pause. »Okay. Ist gut. Wann wirst du …«
    »Später«, fällt ihr Rowan ins Wort.
    »Später, ist gut. Also bis später.«
    Sie hört sich unecht an. Aber woher soll er jetzt noch wissen, was unecht ist? Alles Echte, was er bisher kannte, war vorgespielt. Und dafür möchte er seine Eltern hassen, aber Hass ist ein starkes Gefühl für starke Menschen, und er ist so schwach wie sie.
    Also geht er den Flur hinunter bis in die Küche. Er öffnet einen Schrank, weil er weiß, dass sich darin die Medikamente befinden, nimmt das Ibuprofen aus der Schachtel und betrachtet die reinweiße Plastikverpackung.
    Er fragt sich, ob genug da ist, um sich umzubringen.

[Menü]
    HINTER DER EIBE
    Sie hören, wie Rowan die Küche betritt. Eine Schranktür wird geöffnet und wieder geschlossen. Anschließend geht er aus dem Haus, und erst als Helen hört, dass sich die Tür schließt, kann sie weiteratmen. Aber die Entspannung ist nur vorübergehend und hält so lange an, bis Will, der immer noch auf dem Sofa sitzt, den Mund wieder aufmacht.
    »Hätte schlimmer kommen können«, sagt er. »Wenn er die Briefe gefunden hätte. Oder wenn Pete da gewesen wäre.«
    Helen kocht innerlich vor Wut. »Halt die Klappe, Will. Halt einfach die Klappe.«
    Aber ihre Wut ist ansteckend, und Will steht vom Sofa auf und tritt näher an Helen heran, während er mit einem Peter redet, der gar nicht da ist.
    »Weißt du, Peter«, sagt er. »Ich hab mich immer gewundert, dass du nicht rechnen kannst. Trotz all deiner Talente. Und als Mediziner sowieso … Oh, natürlich hat Helen dir falsche Zahlen genannt, und mir hat’s Spaß gemacht, dem Arzt genug Angst einzujagen, bis er gelogen hat, aber trotzdem …«
    »Sei still, sei still, sei still.« Sie denkt nicht nach. Sie holt einfach aus, zerkratzt Will das Gesicht und genießt die Erleichterung, die ihr das verschafft. Will steckt einen Finger in den Mund, dann zeigt er ihn ihr. Sie sieht das Blut, Blut,das sie kennt und liebt wie kein anderes. Es ist da, direkt vor ihr, der Geschmack, über dem sie alles vergessen könnte. Es gibt nur einen Weg, ihre Instinkte zu bezwingen, indem sie aus dem Zimmer stürzt, aber das fröhlich breite Grinsen in den Worten, die er ihr nachruft, kann sie gerade noch hören:
    »Wie

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