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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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mich setzen, und sah mich aus großen,
besorgten Augen an.
    »Die UCI hat angerufen. Sie sagen, es
gebe eine positive A-Probe mit Hinweisen auf eine Fremdblut-Transfusion von
dir.«
    Fast musste ich lachen, denn das war verrückt – wie Álvaro genau
wusste. Er selbst hatte für unser Team vor der Dauphiné eine Transfusion
organisiert. Warum sollte denn irgendjemand anderes Blut als das eigene
verwenden? Das Testergebnis war falsch. Ausgeschlossen.
    »Ich weiß, Tyler, aber …«
    »Das kann nicht stimmen. Sind die sicher, dass ich das bin?«
    »Das sind sie.«
    »Sind sie sicher, dass der Test positiv ist?«
    »Genau das sagen sie. Die A-Probe. Als Nächstes testen sie die B -Probe.«
    »Vollkommen ausgeschlossen.«
    Álvaro versuchte mich zu beruhigen, aber ich feuerte eine Frage nach
der anderen ab. Welche Beweise haben sie? Was für ein Scheißtest ist das? Wen
muss ich anrufen? Wo ist das Labor? Wir erzählten der Presse, ich hätte
Magenprobleme, als ich aus der Vuelta ausstieg. Wir trieben den Team-Eigentümer
Andy Rihs auf, der sich im Renntross aufhielt. Er sah mir in die Augen und
fragte, ob ich so etwas getan hätte. Ich hielt dem Blick stand und sagte, ohne
mit der Wimper zu zucken, dass ich unschuldig sei.
    Ich ging auf mein Hotelzimmer, atmete tief durch und rief Haven an.
Ich versuchte es wie eine Panne klingen zu lassen, wie einen harmlosen
Zufallstreffer, der sich schon bald erledigt haben würde, aber ich hörte das
Zittern in ihrer Stimme und bin mir sicher, dass sie bei mir dasselbe hörte.
Haven ist nicht dumm. Sie wusste genau, wie ernst diese Geschichte war, und sie
wusste außerdem, dass wir jetzt nicht viel Zeit hatten: Wir mussten uns um
diese Sache kümmern, bevor die Medien Wind davon bekamen. Sobald die Story ins
Internet gelangte, würde sie überall bekannt werden, und an mir würde ein Makel
hängen bleiben. Ich sagte Haven, es werde schon alles in Ordnung kommen, gab
mir Mühe, dabei überzeugend zu klingen, beendete das Gespräch und saß
schweigend da.
    Das war er, jener Augenblick kurz vor der Weggabelung. Jeder, der
erwischt wird, erlebt ihn: diese unheimliche Ruhe vor dem Sturm, diese wenigen
Stunden, in denen man sich entscheiden kann, die Wahrheit zu sagen oder eben
nicht. Ich würde jetzt gern erzählen, dass ich damals über ein umfassendes
Geständnis nachdachte, aber die Wahrheit ist, dass ich so etwas nie erwog,
nicht eine Sekunde lang. Ein Geständnis, das schien unmöglich, undenkbar, eine
Wahnsinnstat. Und das nicht nur, weil ich Jahre in diesem Spiel zugebracht und
mir dabei eingeredet hatte, ich sei kein Betrüger und alle täten so etwas.
Nicht nur, weil es mit der Schande der Enttarnung verbunden war und ich mein
Team, meinen Vertrag und meinen guten Namen verlieren würde und meinen Eltern
alles eingestehen müsste. Nicht nur, weil ein Geständnis auch meine Freunde
betreffen, vielleicht sogar die Karriere meiner Mannschaftskameraden und aller
Betreuer und Helfer beenden würde – es verhielt sich schließlich nicht so, dass
ich das alles alleine getan hatte. Der Hauptgrund war vielmehr, dass mir die
Beschuldigung völlig absurd zu sein schien. Die UCI behauptete, ich hätte mir Fremdblut zuführen lassen – und ich war mir
hundertprozentig sicher, dass das nicht stimmte. Sollte ich mein Leben und das
Leben anderer ruinieren, indem ich mich für etwas schuldig bekannte, das ich
gar nicht getan hatte? Meine Antwort war klar: Nein. [1]
    Andy, Álvaro und ich steckten die Köpfe zusammen und versuchten eine
Strategie zu entwickeln. Wir alle kannten die Verfahrensweise: Die Tester
nahmen zwei Proben, eine A - und eine B -Probe. Meine A-Probe hatte ein positives Testergebnis
erbracht. Die B -Probe war bisher noch nicht
analysiert worden. Wenn das erste Ergebnis bestätigt wurde – und das war fast
immer der Fall –, galt ich offiziell und in aller Öffentlichkeit als positiv
getestet, wurde automatisch gesperrt und könnte den Test allenfalls bei der USADA anfechten, der Anti-Doping-Organisation, die für
alle amerikanischen Radprofis rechtlich zuständig ist. Wir dachten sofort
daran, die Methodik dieses Tests auf Bluttransfusion infrage zu stellen, der,
wie wir feststellten, brandneu war. Ich war sogar der Erste gewesen, der damit
positiv getestet wurde. Rihs unterstützte mich und sagte, er werde dafür
sorgen, dass ich die besten Rechtsanwälte und Ärzte bekam, ja, er wollte sogar
aus eigener Tasche eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung

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