Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
der
Testmethode finanzieren.
Doch dann wurde alles noch schlimmer. Das Internationale Olympische
Komitee ( IOC ) teilte mir zwei Tage nach dem
positiven Test bei der Spanien-Rundfahrt mit, auch meine A -Probe
bei den Olympischen Spielen sei positiv getestet worden. Mich verließ der Mut.
Das war keine zufällige Test-Panne mehr, es war ein Muster. Jetzt hatten sie
zwei Ergebnisse, zwei leuchtende Reagenzgläser, und ich hatte zwei harte
Auseinandersetzungen zu führen.
Mein Leben wurde zum Albtraum. Ich flog zur Öffnung und Analyse der B -Probe nach Lausanne, wo das zuständige Labor beheimatet
war. Als die Medien von meinem positiven Testergebnis Wind bekamen, gab ich
gemeinsam mit Rihs in der Schweiz eine Pressekonferenz, und wir sagten all die
abgesprochenen Dinge – wir würden alles in unserer Macht Stehende tun, um
meinen Namen reinzuwaschen. Ich versuchte, nicht allzu sehr zu lügen. Ich weiß,
es klingt verrückt – da saß ich nun, nach acht Jahren ununterbrochenen Dopens,
und beteuerte meine Unschuld –, aber ich versuchte instinktiv, so nahe an der
Wahrheit zu bleiben wie nur möglich. Ich fühlte mich wie ein Schauspieler in
einem miserablen Stück, der keine andere Wahl hatte, als einfach
weiterzumachen.
»Ich war seit meinen Kindertagen immer ein ehrlicher Mensch«, sagte
ich. »Meine Familie hat mir von Kindesbeinen an beigebracht, mich ehrlich zu
verhalten. Ich habe immer an Fair Play geglaubt. […] Man beschuldigt mich, ich
hätte mir Fremdblut übertragen lassen, doch jeder, der mich kennt, weiß, dass
das vollkommen unmöglich ist. […] Ich garantiere Ihnen, dass die Goldmedaille
in meinem Wohnzimmer bleiben wird, solange ich auch nur einen Cent besitze.«
Hinter meiner tapferen Fassade fühlte ich mich allerdings
ohnmächtig. Ich wusste nur zu gut, wie solche Dinge gehandhabt werden konnten,
wenn man die richtigen Verbindungen besaß. Lance war 1999 positiv auf Cortison
getestet worden, und das wurde mit den Tour-Verantwortlichen in aller Stille
geregelt – mit einem Rezept. Als Lance 2001 bei der Tour de Suisse den
verdächtigen EPO -Test hatte, geschah dasselbe: Er
hatte Besprechungen mit den Leuten im Labor, und die Sache verlief im Sand.
Lance bediente sich des Systems – Teufel noch mal, Lance war das System. Aber wen konnte ich anrufen? Wer würde mir helfen?
Niemand.
Nach der Pressekonferenz sah ich nach meinen SMS und E -Mails. Ich hoffte auf Nachrichten von meinen
Freunden bei Postal oder Phonak, von den Jungs, die wussten, was ich durchmachte.
Ich hätte gerne ein paar »Halte durch«- oder »Wir denken an dich«-Botschaften
gelesen. Aber da kam nichts. Mein Anrufbeantworter lief stattdessen über mit
Nachrichten von Journalisten. Das war alles. Haven würde noch eine Woche in den
Staaten sein. Ich war allein.
Ich reiste nach Girona zurück, weil ich nicht wusste, wohin ich
sonst gehen sollte. Ich fühlte mich wie ein Flüchtling, trug eine Sonnenbrille,
zog mir die Baseballmütze tief ins Gesicht und stellte mir die anklagenden
Blicke vor: Da drüben geht er. Betrüger. Doper. Ich
ging die schmale Straße hinunter und schloss das Tor zu unserem gemeinsamen Hof
auf. Nie war ich dankbarer dafür, dass Lance gerade nicht da war. Ich ging die
Treppe hoch, die zu unserer Wohnung führte, schloss die Tür hinter mir, setzte
mich auf einen der Hocker an der Küchentheke und starrte auf den Boden.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß. Einen Tag? Zwei Tage? Ich aß
nichts, schlief nicht, weinte nicht. Ich fühlte mich innerlich tot, wie ein
Zombie. Stundenlang starrte ich auf den Boden, versuchte zu akzeptieren, was
mir jetzt widerfuhr. Versuchte mich auf das einzustellen, was noch vor mir lag.
Ich starrte auf den Boden und versuchte mich innerlich abzuhärten.
Ich lasse mich davon nicht unterkriegen. Ich werde kein zorniger
oder verbitterter Mensch werden. Es wird sich nichts ändern. Es wird sich nichts ändern.
Ich werde diese Sache durchstehen. Es wird vielleicht eine Weile
dauern, aber ich werde es durchstehen.
Ich bin immer noch Tyler. Ich bin immer noch Tyler. Ich bin immer
noch Tyler.
Erwischt zu werden, macht einen ein kleines bisschen
wahnsinnig. Da hat man nun seine ganze Laufbahn mit dieser elitären
Bruderschaft verbracht, in dieser Familie, und das Spiel mit allen anderen
gemeinsam gespielt – und plötzlich wird man in eine Welt aus Scheiße gespült,
in Überschriften als »Doper« bezeichnet, verliert sein Einkommen, und, das ist
das Allerschlimmste,
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