Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
halten konnte. Während er
die Tour 1999 fuhr, schrieb er zugleich eine Kolumne für Le
Parisien, in der er die Dinge beim Namen nannte: Die Festina-Affäre
hatte nichts geändert.
Lance klärte das Problem unverzüglich. Am Tag nach seinem Sieg in
Sestriere fuhr er unterwegs an Bassons heran und erklärte ihm, seine Kommentare
schadeten dem Radsport; Bassons entgegnete, er schreibe schließlich nur die
Wahrheit; Lance schlug ihm daraufhin vor, sich zu verpissen und aus dem
Radsport zu verabschieden.
Die anderen Fahrer hätten sich jetzt auf Bassons’ Seite stellen und
ihre Stimme erheben können. Aber warum auch immer – vielleicht aus Angst,
vielleicht wegen Lance’ Charisma, vielleicht aus purer Gewohnheit – sie
schwiegen. Auf dieser Etappe und am nächsten Tag wurde klar, dass Bassons
isoliert dastand. Niemand verteidigte ihn. Die anderen sprachen auch nicht mehr
mit ihm, nicht einmal seine eigenen Teamkameraden. Bassons verstand und
erklärte am nächsten Tag seine Aufgabe.
Mitten in diesem Tohuwabohu fanden wir als Team immer enger
zusammen. Da Lance das Gelbe Trikot trug, mussten wir das Rennen kontrollieren,
und das kostete unsere ganze Kraft. Es wurde härter. Jonathan war bereits
ausgefallen; dann verloren wir auch noch Peter Meinert Nielsen, der sich eine schwere
Sehnenentzündung im Knie zuzog. Die Tage liefen alle gleich ab: Johan erklärte
uns eine komplexe Strategie, die es gewöhnlich erforderte, dass wir die Etappe
größtenteils kontrollierten. Dann warf uns Lance ein paar lockere Worte zu, und
uns wurde wieder bewusst, was wir hier Unwahrscheinliches vollbrachten: Wir,
die geborenen Verlierer in zwei schrottreifen Wohnmobilen, waren gerade dabei,
das härteste Radrennen der Welt zu gewinnen! Und es funktionierte: Jeden Tag
gingen wir emsig ans Werk, uns selbst zu begraben, und sorgten dafür, dass
Lance das Gelbe Trikot behielt.
Im weiteren Verlauf der Tour bauten die Fahrer, die kein Edgar
bekommen konnten, immer mehr ab. Sie fuhren gnadenlos auf paniagua und
leisteten wirklich Übermenschliches. Wir überlegten, wie wir wohl helfen
könnten. Eines Abends in der zweiten Woche hatten wir etwas Edgar übrig – ein
paar Tausend Einheiten vielleicht. Was sollten wir damit anfangen? Wegwerfen
wollten wir es nicht, nehmen aber auch nicht, um unseren Hämatokritwert nicht
zu hoch zu drücken. Lance machte dann den Vorschlag, es Frankie zu geben.
Jemand wurde zu ihm ins Zimmer geschickt; wie sich herausstellte, war Frankie
vor lauter Erschöpfung schon eingeschlafen. Als man ihn weckte, nickte er müde
und nahm das Geschenk an.
Mit jeder überstandenen Etappe rückte der Zieleinlauf in Paris
näher. Wir versuchten, nicht an den Gesamtsieg zu denken, sondern
konzentrierten uns darauf, Zülle und die anderen Favoriten in Schach zu halten.
Am 21. Juli jedoch, als wir in das Pyrenäenstädtchen Pau einrollten, lag Lance
immer noch in Führung und die letzte Bergetappe hinter uns. Jetzt wurde die
Chance auf den Sieg plötzlich real. Wenn nicht noch eine Katastrophe
dazwischenkam – ein schwerer Sturz, eine plötzliche Krankheit oder Verletzung –, würde Lance allen Ernstes die Tour de France gewinnen.
Die einzige schlechte Nachricht war, dass einer aus unserem Team es
langsam nicht mehr schaffte: Philippe. Motoman war am Ende. Ich konnte es
nachfühlen: Tag für Tag, Woche für Woche der Tour hinterherzufahren war
bestimmt anstrengend. Alles wimmelt vor Menschen, Straßen werden gesperrt, alle
Hotels sind ausgebucht. Philippe übernachtete, wo es gerade ging – im Zelt, in
improvisierten Biwaks am Straßenrand oder auf Parkplätzen. Bei einem Telefongespräch
mit Johan oder Lance gestand er uns dann, dass er nicht mehr konnte. Da ging
nichts mehr. Zum Glück hatten wir das Rennen jetzt, eine Woche vor Schluss, in
der Tasche. Motoman wurde verabschiedet und durfte nach Nizza zurückfahren. [5]
Kurz vor der Schlussetappe schlug Lance Kevin und mir vor, es wäre
doch nett, wenn wir uns bei Philippe für seine harte Arbeit erkenntlich zeigen
könnten. Wir wussten, dass Lance einige seiner Betreuer und sonstigen
Teammitarbeiter mit Rolex-Uhren bedachte, also beschlossen Kevin und ich, auch
Philippe eine zu schenken. Wir legten zusammen, und Becky, Kevins Verlobte,
kaufte die Uhr in Nizza und brachte sie mit nach Paris.
Die letzte Woche lief dann ab wie ein Uhrwerk; alles ging so
reibungslos und schnell, dass wir es gar nicht richtig glauben konnten, als wir
es dann in trockenen Tüchern
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