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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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darüber?
    Unmöglich.
    Dann fragte ich noch einen dritten Arzt – und erhielt einen
Hoffnungsschimmer. Er sagte, es sei zwar ein glatter Bruch, aber der Knochen
sei stabil. Es bestehe eine Chance. Ich beschloss, es zu versuchen.
    Am nächsten Morgen gelang es mir, mit einigen tiefen Atemzügen und
unter schmerzhaften Verrenkungen mein Trikot anzuziehen. Der CSC -Trainer brachte einige Streifen Klebeband an meinem
Schlüsselbein an, um es zu stabilisieren. Der Mechaniker verringerte den
Reifendruck und wickelte drei Schichten Gel-Tape um meinen Lenker, um mir etwas
Polsterung zu verschaffen. In der Annahme, ich würde sicher nur ein paar
Minuten lang fahren und dann aussteigen, schickten die Betreuer meinen Koffer
zur ersten Verpflegungsstelle, sodass ich von dort direkt zum Flughafen fahren
konnte.
    Ich stieg aufs Rad.
    Der Schmerz kommt auf verschiedenerlei Art. Das hier war eine neue
Variante – härter, grell und blendend. Hätte dieses Gefühl eine Farbe gehabt,
es wäre ein Elektrogrün gewesen. Wenn ich über einen Kiesel rollte, durchzuckte
mich ein unerträglicher Schmerz von den Fingerspitzen bis unter die
Schädeldecke. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich schreien oder mich
übergeben sollte. Aber die Sache ist die: Schafft man die ersten zehn Minuten,
erträgt man auch mehr. Die Zeit spielt keine Rolle mehr. Das Chaos und die
Hektik des Rennens wirkten auf eine seltsame Art und Weise beruhigend. Ich trat
stärker in die Pedale und nutzte den Schmerz in meinen Muskeln, um mich von der
Tortur abzulenken, die vom Schlüsselbein ausging.
    Nach Tour-Maßstäben war die Etappe Gott sei Dank flach und relativ
leicht. Ich hielt mich den ganzen Tag lang am Schluss des Feldes und schaffte
es auch, mit dem Hauptfeld ins Ziel zu kommen. Dabei war ich kreidebleich und
konnte kaum sprechen. Die Mienen um mich herum sagten mir, dass hier keiner
erwartete, mich am nächsten Tag wiederzusehen.
    Am nächsten Morgen stand ich wieder am Start. Wieder spürte ich
diese elektrogrünen Blitze. Und wieder fühlte es sich an, als müsste ich mich
gleich übergeben, als würde ich ohnmächtig – oder sterben. Und wieder überstand
ich den Tag.
    Auf diese Art schleppte ich mich durch die erste Woche. Die
Schmerzen wurden nicht geringer, aber nach meinem Gefühl stellten sich mein
Körper und meine Psyche auf diese Anforderungen ein. Immer mehr Menschen wurden
allmählich auf meine Lage aufmerksam – und ich wurde zu einer kleinen
Sensation. Die IMAX -Produzenten waren rundum
begeistert – sag etwas über Willenskraft, drängten
sie mich immer wieder. Ich musste die Leute daran erinnern, dass sie mir nicht
auf die Schulter klopfen sollten. Es tat zu sehr weh.
    Der wahre Härtetest kam auf der achten Etappe. Drei schwere Berge,
zunächst der Télégraphe, dann der Galibier und zum Schluss die berühmteste
aller Tour-Bergstrecken, jene 21 legendären Kehren, die nach Alpe d’Huez hinaufführten.
Wir alle wussten, Alpe d’Huez würde der Ort sein, an dem Lance und das
Postal-Team ihren Angriff starteten: Sie würden das Team einsetzen, um mit
einer schnellen Fahrt anderen die Kraft zu nehmen und Lance den Weg
freizumachen für seine übliche Attacke bei der ersten schweren Bergetappe der
Tour.
    Drei Tage vor der achten Etappe machte ich einen Schachzug.
Ursprünglich hatten Ufe und ich meinen zweiten BB für den ersten Ruhetag bei dieser Tour eingeplant, zwei Tage nach Alpe d’Huez.
Aber mit dem gebrochenen Schlüsselbein fühlte ich mich schwach. Die erste
Rennwoche hatte mich sehr viel Energie gekostet. Ich brauchte meinen BB jetzt. Mit dem Geheimtelefon schickte ich Ufe eine SMS .
    Wir müssen am 11. in Lyon zu Abend essen.
    Er schrieb sofort zurück: Wollten wir uns nicht später
treffen? Er war sich nicht sicher, ob er das hinbekommen würde. Aber ich gab
nicht klein bei. Für mich war es eine ungewohnte Rolle – der harte,
fordernde Boss. Im Grunde wies ich Ufe gerade an, den Mund zu halten und das zu
tun, was ich wollte.
    Es ist wichtig. Es muss der 11. sein.
    Am Abend des 11.   Juli saß ich in Lyon in meinem
Hotelzimmer. Es war schon nach 22   Uhr, als es an die Tür klopfte. Ufe kam mit
einer Plastikkühltasche herein. Er sah zerzaust aus und war auch etwas
aufgebracht – er hatte eine ziemliche Strecke fahren müssen, um diese Sache
möglich zu machen. Aber zugleich war er auch aufgeregt und sprach ziemlich
schnell, wie üblich.
    »Scheiße noch mal, Tyler, du bist verrückt! Das alles mit
gebrochenem

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