Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
Schlüsselbein! Und dabei fährst du noch eine gute Tour!«
Bei aller Aufregung arbeitete Ufe effizient. In wenigen Minuten
hatte er den Tascheninhalt ausgepackt, und ich hing am Schlauch. Gummiband,
Nadel, Ventil, alles lief wie am Schnürchen. Fünfzehn Minuten später verschwand
er wieder in die Nacht, und ich war bereit für Alpe d’Huez.
Nicht alle hatten so viel Glück. Auf der siebten Etappe war ein
Kelme-Fahrer namens Jesús Manzano am Straßenrand zusammengebrochen und fast
gestorben. Die Hintergründe dieses Vorfalls wurden in den folgenden Tagen im
Peloton besprochen. Man flüsterte, mit seinem BB sei etwas schiefgegangen – vielleicht war er nicht sachgemäß behandelt, nicht
richtig gekühlt oder sogar infiziert worden. Ein verdorbener BB konnte dich umbringen, weil er wie eine Giftspritze
wirkte. Ich war dankbar dafür, dass ich mit Profis zusammenarbeitete. [1]
Natürlich mussten wir uns nach wie vor mit den Testern
auseinandersetzen. Wir nannten sie »Vampire«. Während der Tour standen sie gern
schon frühmorgens vor der Tür und verlangten Blut- und Urinproben. Nach der
frühen BB -Zufuhr machte ich mir etwas Sorgen – und
tatsächlich wurde unser Team am nächsten Morgen für einen Test ausgewählt.
Glücklicherweise war die hier praktizierte Vorgehensweise zu meinem Vorteil:
Den Fahrern blieb nach der Benachrichtigung üblicherweise ein kleines
Zeitfenster, um sich zum Test einzufinden. Es war zwar nicht viel Zeit, doch
sie reichte zur intravenösen Zufuhr einer Salzlösung, die wir als »Speed Bag«
bezeichneten und die den Hämatokritwert um etwa drei Punkte senkte. In einer
solchen Situation sind die Betreuer und Teamärzte wahrlich ihr Geld wert: Sie
sind stets auf Abruf bereit, falls sie gebraucht werden. Die CSC -Crew war genauso gut wie die Postal-Truppe, und nach
einer Speed Bag war ich wieder im sicheren Bereich. Es ist ein
Mannschaftssport.
Auf der Etappe nach Alpe d’Huez am 13. Juli 2003 schloss
die Welle der neuen Entwicklungen zu Lance und Postal auf. An diesem Tag war es
kochend heiß. Der Asphalt wurde bei dieser Hitze weich. Am Galibier, dem
zweiten Berg des Tages, schickte Postal fünf Fahrer nach vorn, die Druck machen
sollten. Noch vor ein, zwei Jahren wäre das Feld bei einer solchen Aktion
auseinandergerissen worden, Lance hätte es dann nur noch mit ein paar
versprengten Rivalen zu tun gehabt. Doch diesmal funktionierte die Sache nicht;
etwa 30 von uns erreichten den Gipfel des Galibier gemeinsam mit den
Postal-Leuten. Und wir sahen gut aus.
Ullrich gehörte dazu, schneidiger und schlanker, als ich ihn je
zuvor erlebt hatte. Ceccos Einfluss war an seiner entspannten Körpersprache
förmlich abzulesen, an der Leichtigkeit, mit der er auf Tempoverschärfungen
reagierte.
Mayo und Beloki, die für zwei verschiedene Mannschaften fuhren (Mayo
für Euskaltel-Euskadi, Beloki für ONCE ), waren gegensätzliche
Typen: Beloki hatte traurige Augen und wirkte bedrückt; Mayo war charismatisch
und gut aussehend. Aber beide zeigten sich angriffslustig und furchtlos, und
beide fuhren nicht um Platzierungen – sie wollten gewinnen.
Und dann war da noch Alexander Winokurow, der »verrückte Kasache«.
Er hatte zwar den Körperbau eines Hydranten, war aber ein unglaublich zäher
Wettkämpfer, der am Berg ebenso brillieren konnte wie beim Zeitfahren. Außerdem
verfügte er über eines der besten Pokerfaces im Peloton. Es war nie
vorherzusagen, wann er eine seiner selbstmörderischen Attacken starten würde.
Außerdem rechnete ich damit, dass er gut vorbereitet an den Start gehen würde.
Als ich in Madrid einmal vor Ufes Büro wartete, entdeckte ich Wino in einem
Café ganz in der Nähe.
Am Fuß des Aufstiegs nach Alpe d’Huez setzten sich fünf
Postal-Fahrer an die Spitze. Heras und Chechu sprinteten los – volles
Tempo, so wild sie nur konnten. Solche Manöver hatten in den letzten vier
Jahren die Voraussetzung zum Tour-Sieg geschaffen: superhohe Wattzahlen, über
einige Minuten hinweg. Einen Moment lang wurde ich abgehängt. Dann schloss ich
wieder auf.
Dies ist der richtige Zeitpunkt. Wenn jemand erklärt haben möchte,
wie Doping ein Rennen beeinflusst, verweise ich auf diese zehn Sekunden am Fuß
von Alpe d’Huez im Jahr 2003. Als Lance und sein Gefolge antraten, fiel ich
sofort sechs, acht Meter zurück. Ohne BB wäre ich
noch weiter zurückgefallen und nicht wiedergekommen; mein Tag wäre gelaufen
gewesen. Aber mit BB hatte ich diese fünf Extraherzschläge,
diese
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