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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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eigenen Freunde insgeheim hassen,
dass man wertlos ist und es keinerlei Hoffnung mehr gibt. Ich sank nie so tief,
dass ich daran dachte, allem ein Ende zu machen, aber ich verstehe, wie manche
Leute so weit kommen. Die Depression tut einfach zu sehr weh.
    Wir überstanden sie. Haven erfand Entschuldigungen für die Freunde
und besorgte mir einen Termin bei einem vorzüglichen Arzt, der mir Effexor
verschrieb, 150   Milligramm pro Tag, was ausreichte, um meine Gedanken wieder zu
beruhigen. Ganz langsam, zentimeterweise, spürte ich die Erholung. Nach ein paar
Wochen zog sich die Dunkelheit allmählich zurück. Mein Lebenshunger kam zurück.
Haven war wunderbar. Sie verstand und betreute mich in diesen Wochen, bis ich
mich stark genug fühlte, unter Menschen zu gehen und wieder aufs Rad zu
steigen.
    Hilfreich war für mich auch unsere Arbeit mit der
Tyler-Hamilton-Stiftung, die wegen der zunehmenden Beachtung in der
Öffentlichkeit rasch wuchs. Eines unserer Hauptprojekte war die Organisation
von Gruppenfahrten, mit denen Geldmittel eingeworben und ein Problembewusstsein
geweckt werden sollten. Eine der unerwarteten Überraschungen dabei war, wie
viele Menschen mit Multipler Sklerose sich unseren Fahrten anschlossen. Alle
Zweifel an meinem Erfolg verflogen, wenn ich ein Lächeln auf dem Gesicht eines MS -Patienten sah oder miterlebte, wie diese Menschen sich
einen steilen Anstieg hinaufmühten. Ihre Anstrengungen und ihre
Widerstandskraft gaben meinem Leben einen Sinn.
    In die Saison 2004 gingen wir mit dem Gefühl, verwundet und zugleich
weiser zu sein. Wir hatten es bis an die Spitze der Radsportwelt geschafft, und
als wir dort angelangt waren, empfanden wir vor allem Trostlosigkeit und Leere.
Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt sprachen Haven und ich erstmals über einen
Rücktritt. Wir redeten darüber, wann wir diesen verrückten Zirkus aufgeben, uns
niederlassen und ein normales Leben führen konnten; Kinder haben,
Freundschaften schließen, Zeit miteinander verbringen, richtig zu Abend essen,
Spaziergänge unternehmen. Statt von einer langen, produktiven Karriere im
Radsport träumten wir jetzt von einem anderen Ziel: Wir würden zwei Jahre bei
Phonak bleiben und dann unsere Chips einlösen und nach Hause gehen.

12
    ALLES ODER NICHTS
    Als ich Anfang 2004 nach Europa zurückkam, war ich bereit
zu einem neuen Anlauf, und Phonak ebenso. Vom Eigner, Andy Rihs, bis hinunter
zu den Mechanikern fühlte sich jeder als Teil des Teams und war ganz auf die
Tour de France konzentriert.
    Wenn es ein Motto für dieses Jahr gab, dann Alle
für einen, und einer für alle.
    Es begann mit den Menschen. Unser Sportlicher Leiter war ein
ruhiger, freundlicher Mann namens Álvaro Pino, der zuvor für das starke
Kelme-Team gearbeitet hatte. Wir engagierten ein Trio spanischer Fahrer, Óscar
Sevilla, Santos González und José Gutiérrez, um die bestehende Mannschaft zu
ergänzen, die aus Santiago Pérez, den Schweizer Fahrern Alex Zülle, Oscar
Camenzind und Alexandre Moos sowie dem stahlharten Slowenen Tadej Valjavec
bestand. Vom CSC -Team brachte ich Nicolas Jalabert
mit, einen klugen Fahrer und guten Freund. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wurde
dadurch verstärkt, dass einige der Spanier bereits mit Ufe zusammenarbeiteten,
der auch Teamarzt bei Kelme gewesen war.
    Im Trainingslager gab ich das Thema vor: Wir würden hart arbeiten,
aber auch aufeinander achten. Ich gab mir alle Mühe, nicht als Primadonna
aufzutreten. Ich trainierte am fleißigsten; ließ mich auf jeden ein; ich lernte
jeden Teamkameraden und seine Familie kennen. Ich tat mein Bestes, um
sicherzustellen, dass niemand den Stil unseres Teams mit dem von Postal
verwechselte.
    Wir waren Vorreiter in Innovation und neuen Technologien. In
Zusammenarbeit mit dem Fahrradhersteller BMC (der
praktischerweise ebenfalls Rihs gehörte) entwarf das Team eine Reihe neuer
Räder für meine Teilnahme an der Tour – leichte, schnelle Designs mit Anleihen
an die Rennwagen-Technologie. Wir würden die besten Skinsuits für die
Zeitfahrten haben, die besten Köche, die besten Betreuer. Unser Mannschaftsbus
war eine richtige Schönheit: Er sah aus wie der Tourneebus einer Rockband, viel
neuer und besser als der von Postal. Wir hatten zwei Badezimmer, Ledersofas,
eine Stereoanlage, einen Fernseher, Höhensimulationsapparate – was man sich nur
wünschen konnte.
    Als ich im Februar Ufe wiedersah, hatte er eine große Neuigkeit: Er
hatte sich gerade einen Gefrierschrank angeschafft;

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