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Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)

Titel: Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tyler Hamilton
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keinen gewöhnlichen,
sondern einen medizinischen mit allem erforderlichen Zubehör. Er sollte die
Grundlage einer entscheidenden Innovation sein und trug den Spitznamen
»Sibirien.«
    In einem noch hastigeren Wortschwall als sonst erklärte Ufe, was er
sich vorstellte: Anstatt das Blut wie üblich nur zu kühlen – was erforderte,
dass ich alle paar Wochen nach Madrid flog –, würde er die BB s jetzt einfrieren, sodass sie sich im Prinzip
unbegrenzt hielten. Das war Musik in meinen Ohren. Ich würde den stressigen BB -Pendelflügen entkommen; ich würde mir Blut abzapfen
lassen, wann immer es gerade passte. Und statt zwei oder drei BB s pro Tour würde ich in Zukunft mehr benutzen können.
    Zwei Nachteile, so Ufe, musste ich in jedoch Kauf nehmen. Erstens
würde Sibirien teurer werden als das bisherige Verfahren; es war eine Menge
zeitraubender Arbeit erforderlich, um die gefrorenen Blutkonserven lebensfähig
zu erhalten; sie mussten dazu langsam mit einer Glykollösung (im Prinzip ein
Frostschutzmittel) versetzt werden, die das in ihnen enthaltene Wasser
verdrängte und verhinderte, dass die Blutkörperchen platzten, während sie
gefroren waren. Zweitens waren Sibirien- BB s etwas
wirkungsschwächer als die gekühlten: Durch den beim Einfrieren unvermeidlichen
Schock starben etwa zehn Prozent der Blutkörperchen ab – kein großer
Unterschied, aber man musste ihn kennen. Die abgestorbenen zehn Prozent
Erythrozyten würde ich, wie Ufe erklärte, einfach mit dem Urin ausscheiden. Der
würde davon etwas rostfarben, eine störende, aber harmlose Nebenwirkung.
    Dann kam das Beste. (Ufe war ein guter Verkäufer.) Er sagte, er
biete Sibirien nicht allen Patienten an, sondern nur einigen ausgewählten:
Ullrich, Wino und Ivan Basso. Der Preis betrug 50   000   Dollar pro Saison plus der
üblichen Siegprämien.
    Die Entscheidung fiel mir leicht, weil ich eigentlich keine Wahl
hatte. Entweder sah ich zu, wie meine Rivalen den neuen Gefrierschrank
benutzten, und ließ mich abhängen, oder ich schloss mich dem Club an. Es war
auf gewisse Weise sogar fair, dass wir vier alle denselben Arzt hatten und
unser Blut im selben Gefrierschrank aufbewahrt wurde – gleiche Chancen für
alle. Ich erwiderte also: »Unbedingt, das mache ich«, und dankte Ufe.
    Erst später fand ich heraus, wie unangebracht meine Dankbarkeit war.
    Ich hatte noch nie so viel zu tun gehabt wie in diesem
Frühling, als ich das Phonak-Team und mich selbst auf die Tour 2004
vorbereitete. Es gab tausend Einzelheiten zu beachten, tausend Entscheidungen
zu treffen. Manchmal war ich ganz ruhig, manchmal allerdings auch kurz vorm
Durchdrehen.
    An einen Termin bei Ufe erinnere ich mich noch besonders gut. Ich
kam gerade von einem Rennen; ich war erschöpft und zog einen Rollkoffer hinter
mir her. Ufe ließ mich ungewöhnlich lange im Café warten. Ich hatte eine
Reservierung für den Heimflug nach Girona und wollte so schnell wie möglich
nach Hause. Ich trank einen Kaffee nach dem anderen. Als ich endlich die SMS bekam – Die Luft ist rein –, stürmte
ich in die Praxis, legte mich hin, und Ufe fing an. Als die Nadel steckte,
ballte ich die Hand zur Faust, um den Blutfluss anzuregen.
    Als der Beutel gefüllt war, sprang ich wieder auf. Sonst hielt ich
den Arm immer einige Minuten über den Kopf und drückte einen Wattebausch auf
die Einstichstelle – aber diesmal hatte ich dafür keine Zeit. Ich klebte den
Wattebausch mit Pflaster auf, rollte meinen Ärmel runter, verabschiedete mich
und rannte zum Ausgang. Dann hastete ich die Straßen Madrids entlang, den
holpernden Rollkoffer hinter mir, und hielt nach einem Taxi Ausschau, um meinen
Flug noch zu bekommen. Vielleicht zwei Querstraßen von Ufes Praxis spürte ich
plötzlich, dass meine Hand feucht wurde. Ich sah hinunter: Von meiner Hand
tropfte Blut. Mein Ärmel war rot durchweicht. Ich hob die Hand, und sie sah
aus, als hätte ich sie in rote Farbe getaucht. Man konnte denken, ich hätte
gerade jemanden ermordet.
    Ich verbarg die blutige Hand hastig in meiner Jacke und drückte auf
die Einstichstelle. Als ich ein Taxi bekam, versuchte ich meinen Zustand vor
dem Fahrer zu verbergen und gleichzeitig mit einem Papiertaschentuch das Blut
von Arm und Hand zu wischen. Am Flughafen ging ich sofort auf eine Toilette,
warf das blutige Hemd in den Mülleimer und tarnte es mit Papierhandtüchern.
Über einem Waschbecken bemühte ich mich, die angetrockneten Blutreste aus der
Handfläche, vom Handgelenk und unter

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