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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Tode auf der Bassett vor langer Zeit. Er war in gewisser Weise der Kapitän dieser Mannschaft. Ihr Leben lag in seinen Händen. Ihr Leben und ihr Tod.
    »Es tut mir leid«, flüsterte er.
    »Es war der Weg, den sie zu beschreiten hatten. Sie haben den Boten auf seiner Fahrt den Fluss hinunter begleitet, zumindest für eine Weile. Keiner von ihnen hat gegen seinen Tod protestiert.«
    So darüber zu denken war seltsam, zumindest für Hethor. Wer hatte schon Zeit für einen Protest, wenn er von einem Krokodil gegessen wurde?
    »Ich habe nicht aufgepasst, und nur deshalb ...«, begann er, doch Arellyas freie Hand strich über seine Lippen.
    »Du bist deiner Seelenmagie in die Nachricht gefolgt, Bote. Mach es nicht diesem alten, halb salzigen Fluss zum Vorwurf, wenn seine kleinen Götter sich wehren. Selbst das Krokodil gehorcht nur seiner Natur. Du musst deiner gehorchen.«
    »Wo ist die Tafel?«
    »Du hältst sie in den Händen, kleiner dummer Affe.« Sie beugte sich über ihn und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. »Trink frisches Wasser, iss ein paar Früchte, und ruhe dich aus. Die Tafel wird immer noch da sein, wenn du dich besser fühlst.«
***
    Am späten Nachmittag nahm Hethor die Tafel wieder zur Hand. Sie war nun mit Schlamm und Blut verkrustet, aber er versuchte nicht, sie zu säubern. Er war zutiefst betrübt, denn sein Vertrauen in die Seelenmagie war erschüttert, was immer sie sein mochte. Er war an dem Krokodil gescheitert.
    »Gott ... Welt, dann Gott, dann Gott ... Welt«, murmelte Hethor.
    Herz, Herzschmerz, im Herzen der Dinge. Mit einem Surren verstand er ein weiteres Wort.
    »Herz. Das Herz Gottes ist das Herz der Welt!« Hethor sah auf und rief: »Jetzt verstehe ich!«
    Aus den Reihen des vergessenen Volkes stieg Jubel auf, auch wenn niemand ihn fragte, was er so plötzlich verstand. Stattdessen kümmerten sie sich weiter darum, die Flottille wieder zusammenzubinden. Niemand verspürte auch nur das geringste Interesse, im salzverkrusteten Wald an Land zu gehen, so düster und nasskalt er wirkte. Es war besser, sich in der Nacht den gefährlichen Krokodilen zu stellen, als in diesem stinkenden, grässlichen Dunkel zu übernachten.
    Hethor widmete sich wieder der Tafel, denn er wollte nun endlich die Worte verstehen. Alle drei bisherigen Tafeln hatten über Leben und Tod entschieden. Er wusste, dass er keine vierte erhalten würde.
    »Das Herz Gottes ist das Herz der Welt.« Seine Finger glitten über die ersten beiden Zeilen. Die dritte und vierte waren schwieriger, aber die letzten beiden lagen ihm fast auf der Zunge. »Gott ... die Welt. Wie ... Gott, so ... die Welt. Gott in der Welt. Gott der Welt. Gott erschuf die Welt.«
    Hethor schloss die Augen und ließ das Metall unter seinen Fingerspitzen die zarten und feineren Strukturen aufdecken, die sich in seiner Form versteckten. Die Form trug den Geist dessen in sich, was die Worte und Buchstaben ihrem Erschaffer bedeuteten – ob es sich nun um Gabriel, Gott oder eine andere göttliche Kraft handelte. Es hätten sogar Uhrmacher sein können.
    »Solange Gott lebt«, sagte Hethor, »lebt die Welt.«
    Es war, als ob in seinem Kopf eine Glocke schlug. Wie gebannt betrachtete er die mittleren Zeilen, die alles miteinander verbanden.
    »Das Herz Gottes ist das Herz der Welt.«
    »Solange der Mensch lebt, lebt Gott.«
    »Solange Gott lebt, lebt die Welt.«
    Das war es! Die göttliche Nachricht, die er so verzweifelt zu entziffern versuchte, seitdem er in der senkrechten Stadt die erste Tafel erhalten hatte.
    Das war es?
    Hatte er die halbe Welt durchquert, um etwas zu verstehen, das ketzerisch und schwachsinnig klang? Den Menschen mit Gott zu vergleichen, als wären sie einander ergänzende Bestandteile eines Syllogismus, war falsch.
    Oder dachte er nur an den Gott Pryce Bodeans, den Gott der Kirche seiner Jugend, und nicht an Arellyas Gott, dessen grüne Lunge die Luft der afrikanischen Dschungel atmete?
    »Arellya«, sagte er leise.
    Sie kam über zwei miteinander verbundene Kanus zu ihm und setzte sich neben ihn. »Was ist?«
    Er las ihr die Nachricht der Tafeln vor.
    Sie lächelte. »Ich hatte schon Sorge, du würdest die Worte niemals verstehen, Bote. Ich bin stolz auf dich.«
    Obwohl Hethor es sich wünschte, küsste sie ihn diesmal nicht.

9.
    Am Morgen brach erneut Panik aus. Sie erwachten kurz nach Sonnenaufgang und trieben weiterhin zwischen den salzverkrusteten Bäumen zu beiden Seiten des Flusses dahin. In der Ferne war ein Tosen

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