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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ihre Zähne funkeln sehen, als sie lächelte.
    »Sie sind fort – zu viele. Es tut mir in der Seele weh.«
    »Mir auch. Aber was glaubst du, was der Tod ist?«
    »Wenn wir sterben, gehen wir zu Gott.« Hethor war sich nicht sicher, ob er tatsächlich daran glaubte, dass Christus eines Tages zurückkehrte und alle vom Tod auferstehen ließ, damit sie den strahlenden Uhrwerkhimmel betreten konnten, doch er hatte zahlreiche Predigten darüber gehört. »Aufziehen der Seelen« nannten es viele Leute. Die Verzückung war bei vielen christlichen Konfessionen ein Zeichen inbrünstigen Glaubens. In Hethors Augen war es Wunschdenken.
    Was Gott sich für die Menschen wünschte, war ein gutes Leben – das wusste Hethor aus der Bibel, und das sagte ihm sein gesunder Menschenverstand. Was die Menschen sonst noch glaubten, bemaß sich an der Frömmigkeit des Einzelnen.
    »Wenn wir vom vergessenen Volk sterben, werden wir zu einem Teil der Welt«, flüsterte Arellya. »Wenn wir an einem schönen Ort sterben, haben wir Anteil an der Schönheit. Wenn wir an einem fremden Ort sterben, werden wir fremd. Wenn wir hungrig sterben, werden wir Teil des Hungers. Wo und wie wir auch sterben, es herrscht immer Freude im Tod.«
    Das war anders als alles, was Hethor im Lauf seines Lebens gelernt hatte.
    In dieser Nacht träumte er, die Erde sei ein riesiges Floß, das auf einem Meer aus Messing schwamm. Smallwood kommandierte alle herum und hielt abschweifende Grabpredigten für die Menschen, die die ganze Zeit vom Rand herunterfielen.
***
    Hethor erwachte vor Sonnenaufgang. Stille begrüßte ihn. Er befreite sich aus dem großen, haarigen Kokon, den das vergessene Volk um ihn gebildet hatte, nahm die goldene Tafel und verließ ihre Unterkunft, um an den Strand zu gehen.
    Hinter den stachligen Palmen gab es tatsächlich einen schmalen Streifen schlammigen Strandes, den er nun betrat. Als er den Blick nach Süden richtete, sah er den Leuchtturm aufblitzen wie einen Stern, der auf die Erde gestürzt war. Das Glühen war blass und gleichmäßig, was auf Electricität schließen ließ; es stammte offenbar nicht von Kerosinlampen, die noch einige Leuchttürme in Neuengland verwendeten. Hethor war überrascht, dass es in der Südlichen Hemisphäre Electricität gab.
    Arellya kam zu ihm und ließ ihren Arm um seine Hüfte gleiten. »Wir werden nach unseren Männern suchen, wenn wir heute nach Süden gehen«, sagte sie. »Wir werden uns über die freuen, die überlebt haben, werden den Tod derer besingen, denen wir nicht mehr helfen können, und diejenigen in Erinnerung behalten, die wir nie wiedersehen. Das ist unser Weg. Kannst du ihm folgen, Bote? Wenigstens heute?«
    Hethor liebte das Gefühl der Wärme, wo sie ihn berührte, den leichten Druck und die seidenweiche Beschaffenheit ihres Haares. Er hatte Angst zu sprechen und diesen besonderen Moment zu zerstören, aber sie hatte eine Antwort verdient. »Ja«, sagte er. »Ich kann eurem Weg folgen.«
    Gemeinsam beobachteten sie, wie sich verschiedene Farbtöne am Himmel abzuzeichnen begannen. Zu ihren Füßen wogten die Wellen; Nebel, der den üppigen Geruch des Lebens mit sich brachte, stieg vom Dschungel auf. Arellyas sanfte Berührung auf seinem Handgelenk blieb Hethor lange in Erinnerung.
***
    Sie rückten im Lauf des Tags nur langsam voran. Das vergessene Volk erkundete vor Hethor und Arellya die Gegend und entdeckte bald das erste Wrack, aber es war nur ihr eigenes Kanu, das der Sturm in der Nacht zerstört hatte.
    Einige Zeit später entdeckten sie ein Floß, das noch halbwegs intakt war, aber keinen Hinweis auf die vermissten Angehörigen des vergessenen Volkes. Arellya stand knietief im Meer und sang ein Gedicht, das sie sich aus dem Stegreif überlegt hatte; es handelte vom Großen Salzfluss und davon, wie die Seelen auf den Wellen ritten.
    Als sie weiterzogen, fanden sie kurz darauf eine Leiche, an der bereits die Krabben nagten. Arellya und die anderen weigerten sich, den Toten zu begraben. Stattdessen sangen sie eine andere Version des eben erst gesungenen Lieds, diesmal alle gemeinsam.
    Später entdeckten sie ein Kanu mit sechs Angehörigen des vergessenen Volkes, die es umtanzten.
    Als die Abenddämmerung einsetzte, waren sie noch drei oder vier Meilen vom Leuchtturm entfernt, der am nördlichen Ende der Stadt zu liegen schien. Sie hatten zwölf Kanus und Flöße gefunden. Die Flottille hatte den Wasserweg ursprünglich mit mehr als dreißig Wasserfahrzeugen eingeschlagen. Bei

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