Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
gesehen hat«, sagte de Troyes lachend. »Hundert Meilen Fels, Messing an seiner Spitze, hunderte Geister aus sämtlichen Zeitaltern. Dieser Sturm wird sich niemals verziehen – nicht solange Gottes Universum existiert.«
» Das ist sie«, hauchte Hethor. Eigentlich hatte er Wälder voller Affen, exotische Städte aus reinem Kristall und die Paläste von Zauberern erwartet. Nicht nur einen Schmutzfleck, wo der Himmel auf den Horizont traf.
»Behalte den Süden gut im Auge«, sagte de Troyes. »Wir kommen der Mauer mit jedem Tag näher.«
***
Die Bassett legte in Georgetown, Guyana, an, um weiteren Brennstoff an Bord zu nehmen und den gefährlichen Vorgang der Wasserstoffbefüllung der Gaszellen anzugehen, bevor sie nach Osten zu den Kapverdischen Inseln aufbrach. Außer den höheren Offizieren und der Wasserstoffdivision wurde während der Wasserstoffbetankung allen der Landgang befohlen. Die Pumpen und Verbindungsstücke wurden aufgrund der Belastung durch das Gas mit der Zeit brüchig; daher war bei jedem Arbeitsvorgang genaueste Kontrolle vonnöten. Man hatte Hethor wissen lassen, dass selbst der kleinste Fehler zu verheerenden Folgen führen konnte. Jedes Schulkind in Connecticut erinnerte sich an das Hibernia -Desaster, das vom blauen Himmel New Londons Feuer hatte regnen lassen.
Hethor war froh, sich über seine Ideen Gedanken machen zu können. Er nahm sich seine Notizen und Beobachtungen über die Abweichung der Mitternacht vor und hoffte, sie vertraulich in irgendeinem Bordell zusammentragen zu können. So weit südlich war die Äquatorialmauer sehr groß geworden, aber nicht deutlicher, denn die Rundung der Erdschiene verlief hier noch flacher. Manchmal glaubte er, Sonnenlicht auf den Messingverzahnungen aufblitzen zu sehen, oben auf der Mauer, wo sie mit der Erdschiene ineinandergriff. Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte sich nicht sicher sein.
Noch nicht.
Jetzt waren er und ein paar Dutzend andere Kerle in einem kleinen Kahn zusammengepfercht, der von braunhäutigen Eingeborenen gerudert wurde, die lächelten und über geheime Witze die Augen verdrehten, ohne ein Wort zu sagen. Die Luft glühte so heiß, dass Hethor das Gefühl hatte, damit einen Eintopf kochen zu können. Niemand beschwerte sich.
»He, Junge, kommst du mit uns zu Madame Fossiter?«, knurrte der riesige Schotte, der zusammen mit seinen Männern Hethor schanghait hatte. Zu seinem Erstaunen hatte Hethor herausgefunden, dass der Hüne auf den ungewöhnlichen Namen Threadgill Angus al-Wazir hörte. Al-Wazir war Reeperbootsmann und Chef der Reepdivision, jener Mannschaft, die sich um Leinen und Wanten kümmerte, Segel setzte, Steuerruder ausbrachte und im Notfall auf der Außenseite des Tragkörpers eingesetzt wurde. Alle anderen auf der Bassett nannten al-Wazir und seine Männer die »Luftikusse«, weil sich zwischen ihren Füßen und dem freien Fall oft nicht viel mehr als ein Stück Seil befand – und manchmal nicht einmal das.
»Nein, ich werde mich lieber mal umschauen«, antwortete Hethor lächelnd auf al-Wazirs Frage. »Ich wollte schon immer mal einen Affen sehen.«
»Ich bin mir sicher, dass Madame Fossiters kleine Äffchen dir gerne mal ihren Hintern zeigen, wenn du so was magst«, rief einer der Luftikusse. Alle lachten.
Al-Wazir bedachte Hethor mit einem finsteren Blick. »Ein Matrose sollte auf Landgang nicht zu hart arbeiten«, sagte er; dann zwinkerte er ihm zu.
»Oh, hart zu arbeiten hat mir schon immer gefallen«, erwiderte Hethor, was neuerliches Gelächter hervorrief.
Es wurde munter weiter über die Vorzüge verschiedener Mädchen geplappert, vor allem, was die unterschiedlichen Farbtöne der Haut, Melonengrößen und andere, Hethor noch unverständlichere Kriterien anging. Der Kahn prallte schließlich gegen einen heruntergekommenen Kai, den sein hohes Alter und das allgegenwärtige Salz silbern hatten anlaufen lassen. Tatsächlich wirkte das baufällige Etwas auf den Betrachter so, als könnte es jeden Augenblick ins Meer krachen. Der Kai hätte sein Glück aber kaum woanders suchen sollen, denn das hübsche Georgetown schien nur aus weiß getünchten Mauern und einer dichten Vegetation zu bestehen, wie Hethor sie nie zuvor gesehen hatte.
Zwar waren auch die wenigen Palmen, die Hamilton aufzuweisen hatte, Hethor unbekannt gewesen, aber das war nichts im Gegensatz zu dem Wildwuchs, der ihn hier willkommen hieß: Myriaden von Pflanzen, Blumen, Insekten und sogar Tieren, die vermutlich allesamt aus
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