Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
zerrissen seine Leiche mit bloßen Händen. Ein anderer jagte Dalworthy zu Tode. Zwei weitere schlugen dem letzten überlebenden Soldaten die Arme ab und zwangen ihn, taumelnd im Kreis zu tanzen.
Wo steckt Malgus?, fragte sich Hethor und ließ die Winde wieder langsamer laufen.
Auch der Waliser neben ihm sparte sich jetzt seine Kräfte, denn da unten lebte niemand mehr außer den Wilden. Doch die Marineinfanteristen auf dem Schiff feuerten ohne Unterlass. Matrosen der Decksdivision warfen Granaten in die Tiefe und brüllten zornig die Namen der Toten.
Umgeben von Pulverrauch, Schüssen und Flüchen weinte Hethor, als er dem Waliser half, den Bootsmannsstuhl wieder an Bord zu holen. Unter ihnen breiteten die Wilden ihre Schwingen aus und flogen im Licht der nachmittäglichen Sonne in die Höhe. Für einen Augenblick schienen die Angreifer wieder Engel zu sein, als sie nach oben kamen, in goldene Strahlen getaucht, während die Zwei-Zoll-Bordkanonen wütend feuerten.
Die Bassett hatte keinen Angreifer zur Strecke bringen und keine Rache üben können, obwohl Kapitän Smallwood an der Heckreling stand und die antike Kanone abfeuerte, die dort positioniert war. Anschließend leerte er wütend die Trommel seines modernen Colt-Revolvers.
Am Ende hatten sie nur die funkelnde Luft vor der Mauer durcheinander gewirbelt. Von den geflügelten Wilden waren nur ein paar blutige Federn zurückgeblieben; sie selbst hatten sich zurückgezogen und Malgus mitgenommen. Die Bassett hatte nur ihre Toten.
***
Er setzte sich an die Lee-Reling, zusammen mit dem Waliser und zwei dänischen Brüdern von der Reepdivision, Swine und Wine. Ihre Mutter hatte ihnen sicherlich andere Namen gegeben. Wenn Hethor ihnen lauschte, hörte er sie im Singsang ihrer Heimatsprache reden und Namen verwenden, die ähnlich, aber würdevoller klangen. Die vier Männer teilten sich ein Fass verdünnten Grogs und eine Handvoll gekochter Eier.
»Der Kapitän is’ heute so wütend, der könnte mit seiner schlechten Laune glatt ’ne Lunte anzünden«, sagte der Waliser mürrisch. »Wo die unseren Navigator mitgenommen haben und uns alle in unseren Kojen hätten abstechen können.«
»War schon knapp«, sagte Swine.
»Un’ ob«, sagte Wine. »An der Mauer ham wir einfach nix zu suchen.«
Hethor hatte eine andere Aufgabe als einfach nur zu überleben, bis die Bassett wieder in den Heimathafen zurückkehrte. »Diese geflügelten Wilden sind schuld«, sagte er. »Ich verstehe nicht, wie solche Kreaturen in Gottes Welt existieren können.«
Der Waliser schüttelte den Kopf und nickte in Richtung Klippe. »Es sind Truppen, die sie von der anderen Seite entsendet haben. Diese Hexenmeister haben Feuer in ihren Augäpfeln und die Zauberkraft des Teufels in ihren Fingern.«
»Lebende Tote«, sagte Swine.
»Genau«, pflichtete Wine ihm bei. »Wie Heilige, nur anders.«
Hethor wollte widersprechen und argumentieren, dass die Welt auf einer vernünftigeren Grundlage funktionierte. Der Schöpfer hätte nicht einen so durch und durch mechanischen Himmel erschaffen, um ihn dann mit unheimlichen Geistern zu bevölkern, die andere verhexten. Doch Hethors Erlebnisse hatten diese Annahme bereits Lügen gestraft. »Die Südliche Hemisphäre kann doch gar nicht so viel anders sein als unsere, oder?«
»Oh, Junge ...« Der Waliser lächelte tatsächlich. »Flotten aus goldenen Schiffen, die auf Ozeanen aus Gewürzen segeln.«
»Gold schwimmt nicht«, sagte Hethor.
Swine und Wine lachten in sich hinein, bis der Waliser sie beide mit einem zornigen Blick bedachte.
»Das macht die Zauberei, du kleiner Frechdachs«, fuhr er fort. Ein gekochtes Ei zerplatzte in seiner Hand. »Auf der anderen Seite der Mauer erwachen riesige Menschen aus ihren verstaubten Gräbern, Götzenbilder, die uns mit Flüchen belegen. Sei froh, dass du aus dem Norden stammst, wo Ihre Kaiserliche Majestät über gute, ehrliche Matrosen verfügt, wie wir es sind.«
***
Smallwood stand erneut unter seinem Sonnensegel. Marineinfanteristen säumten die Reling und hielten Karabiner in den Händen. Hethor hatte seit seiner Ankunft auf der Bassett noch nie eine solche Machtdemonstration erlebt. Der Kapitän war wütend, aber es war jene Art kalter Wut, die einer scharfen Stahlklinge glich, nicht der wilde Zorn, den er während des Angriffs gezeigt hatte.
Kein einziger Mann der Schiffsbesatzung hatte hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen, dass Kapitän Smallwood während des Kampfes an Bord gekommen
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