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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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wunderschöne Flussauen, auf denen sich riesige Tierherden tummelten, die Hethor nicht identifizieren konnte. Bäume waren nur vereinzelt oder in kleinen Hainen zu sehen. An den Flussläufen standen winzige Dörfer, die aus Holz- und Lehmhütten bestanden.
    Dies hier musste das ländliche Paradies sein, das Malgus ihm beschrieben hatte.
    Hethor betrachtete seine Retter, deren Stummheit er nur mit seiner Taubheit begegnen konnte, sodass eine Verständigung unmöglich war. Diesmal waren die Wesen ohne gezogene Schwerter und den Tod im Blick erschienen – aber weshalb? Vielleicht hatten sie ihn einfach nur gefangen genommen.
    Ihre kraftvollen Flügel trugen Hethor über Urwaldbäume, Hügel und einen graugrünen Fluss hinweg. Dann kreisten sie über einem Tal, in dem sich weitere Urwaldbäume erhoben. Entweder war das Land unter ihnen emporgestiegen, oder sie flogen nun tiefer, denn Hethor konnte riesige Schmetterlinge in sämtlichen Farben des Regenbogens erkennen, sowie einzelne Vögel in ihren Schwärmen und Tiere, die von Baum zu Baum sprangen. Es roch grün und fruchtbar, wie in den Urwäldern um Georgetown. Allerdings besaßen die Bäume und die zahlreichen unbekannten Kreaturen, die auf ihnen lebten, eine gänzlich andere, bedrohliche Atmosphäre.
    Hinzu kam die ungewohnte Stille. Hethor fehlte das Gekreische, Geschrei und Geschnatter des Urwalds. Das Getriebe der Welt hatte zwar Hethors Leben verschont, ihm aber sein Hörvermögen genommen, und so dankbar er auch für sein Leben war, so sehr bedauerte er den Verlust des Gehörs. Wie sollte er seine Mission zu Ende bringen?
    Trigonometrie, sagte er sich. Ein Schritt nach dem anderen.
    Der langsame, kreisende Sinkflug der geflügelten Wilden brachte sie in die Talmitte. Dort stand eine große, aus rotem und braunem Lehn erbaute Festung. Ihre Ausmaße waren gigantisch. Es war eine ganze Stadt aus Wällen mit viereckigen Türmen und abgeschrägten Mauern. Die Architektur wirkte nüchtern und überdimensioniert, als wäre sie für Riesen gedacht, die wenig Gefallen an Verzierungen hatten.
    Hethors Retter ließen ihn auf einem der Torhäuser der Festung fallen. Von seinem Standpunkt aus konnte er erkennen, dass dieser Ort sich in gutem Zustand befand, aber genau wie die senkrechte Stadt verlassen war.
    Wie jedes Mal verschwanden die geflügelten Wilden wortlos und schraubten sich in die Lüfte. Bald schon waren ihre Umrisse zu kleinen schwarzen Punkten geschrumpft, die vor der tropischen Messingsonne kaum noch zu erkennen waren.
    Hethor winkte ihnen zum Abschied und machte sich dann daran, vom Torhaus zu klettern. Seine Beine schmerzten, vor allem die Gelenke, aber er hatte mehr Angst davor, hier oben ohne Essen und Wasser zu bleiben, als beim Abstieg das Gleichgewicht zu verlieren.
    Im Inneren des Torhauses gab es keine Treppe, die vom Dach hinunterführte. Nur eine grob gezimmerte Leiter lehnte an der nördlichen Seite, wo das Gebäude auf die größte Festungsmauer traf. Hethor schwang sich vorsichtig über die Zinnen aus Ziegelstein und Lehm, bis er auf der obersten Sprosse Halt fand, und kletterte wie ein tatteriger Großvater langsam herab.
    Auf dem Boden angelangt, trat er von der Leiter zurück und drehte sich um. Ein Mann in einer schwarzen Soutane stand vor ihm und klatschte in die Hände. Er war so groß wie die geflügelten Wilden, hatte gelocktes rötliches Haar und eisblaue Augen.
    Der Mann war William of Ghent.
    Hethor war zu erschöpft, um überrascht zu sein. Und er war zu müde, um seine Niederlage einzugestehen oder sich dem rasenden Zorn hinzugeben, der in ihm aufstieg. Entweder würde dieser Mann ihm zur Hilfe kommen oder ihn vernichten. Hethor war es mittlerweile egal, welches Schicksal ihn erwartete.
    Williams Lippen bewegten sich und formten lautlos Worte. Hethor ging zwei Schritte auf ihn zu; dann brach er zusammen. Er hätte sich das Gesicht auf der Brustwehr zerschmettert, hätte William ihn nicht blitzschnell aufgefangen.
    Gemeinsam stolperten sie zu einer Treppe. Hethors neuer Gastgeber war zufrieden damit, nicht mehr zu sprechen.
***
    Auf ebener Erde befand sich eine große Halle, die genauso verlassen war wie der Rest der Festung. William hatte Hethor dort einen Tisch gedeckt. An den Wänden des Raumes standen große Holzstatuen – vielleicht die Abbilder mächtiger Könige und Anführer vergangener Zeiten, aber Hethor war der Stil nicht vertraut. Die Gesichter wirkten seltsam abgeflacht und lang gezogen; bestimmte Details waren

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