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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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verschmierten Strich all des Lebens, des langsamen wie des schnellen, das auf den beiden Hemisphären existierte, an den Himmel.
    Nachdenklichkeit durchzuckte Paolina und verschaffte einer Idee ihre ganze Aufmerksamkeit. Alles ist eine Metapher. Ihre Lippen bewegten sich und warfen Blasen, aber es kam kein Geräusch hervor. Die Zahnräder und die Mechanik, die ich erkenne, wenn ich in das Gefüge der Welt eintauche, sind nicht anders als das, was diese Gashansunu sieht.
    Du hast recht, dachte die andere Frau. Aber einige Metaphern sind zutreffender als andere. Du siehst das Messing am Himmel und glaubst, die Welt müsste bis in ihr tiefstes Inneres aus Messing bestehen. Besteht ein Baum bis hinab zu seinen Wurzeln nur aus Blättern?
    Paolina nahm an dieser Frage Anstoß. Du kannst Metaphern nicht mit weiteren Metaphern erklären. Das ist Betrug.
    Warum?
    Sie war nicht sicher, was sie darauf antworten sollte.
    Versuch einfach das hier , schlug ihr Gashansunu vor. Tritt über den Fluss.
    Paolina passte ihre Geschwindigkeit ihrem Geistführer an, und sie merkte, wie sie das andere Ufer – mindestens fünfzig Meter entfernt – ohne jede Anstrengung erreichte. Sie sahen zu den flackernden Lichtern des Lebens zurück, die sie auf der anderen Flussseite gerade zurückgelassen hatten.
    Paolina stellte fest, dass die finstere Kopie Gashansunus sie nicht begleitet hatte. Wo ist dein Schatten?
    Mein Schatten? Gashansunu schien überrascht. Ich bin der Schatten. Das wa ist meine wahre Seele.
    Das passte zu Gashansunus Weltanschauung.
    Es wäre auch mit der Taschenuhr möglich gewesen, den Fluss zu überqueren. Der eigentliche Ablauf war anders. Da sie nun verstand, was ihr Hethor heute vorgeschlagen hatte, wusste sie, dass sie sich mit derselben Kraft zugleich nach vorne und nach hinten bewegen musste. In gewissem Sinne hatten sie und Gashansunu das auch getan, denn als sie über den Fluss gingen, hatten sie am gegenüberliegenden Flussufer ihre Füße in den Boden gestemmt. Es war wie der Schatten eines Fußes, der sich bei dieser Bewegung im Sonnenlicht vom Boden löste.
    Vielleicht waren die Abläufe doch nicht so unterschiedlich. Handelte es sich wirklich nur um Metaphern? War Gott nur eine Metapher für die Grenzen zwischen den Welten, für die Spannung, die die Schöpfung vorantrieb wie eine Triebfeder die Uhr?
    Sie hoffte es sehr. Paolina hatte mehr als genug von den Bedürfnissen und Taten der Männer. In gewisser Hinsicht war Gott nicht mehr als der größte, eigensüchtigste Mann der Geschichte. Zumindest war das der Gott Fra Bellicos in Praia Nova gewesen.
    Hätte die Welt sich selbst erschaffen und die Menschen Gott dann einfach als Erklärung für diesen Vorgang erfinden können?
    Die Taschenuhr lag schwer in ihrer freien Hand. Paolina holte sie hervor, um sie in den seltsamen, lichtlosen Schatten zu betrachten. Der Schimmer schimmerte nicht wirklich – das Gegenteil war der Fall. Seine Banalität wirkte aggressiv. Seine Solidität machte sich an diesem Ort der gegenstandslosen Geister laut bemerkbar.
    Ich sollte es hier nicht benutzen.
    Paolina hörte die Angst in Gashansunus Stimme. Warum?
    Würdest du ein Feuer innerhalb eines Feuers entzünden?
    Metaphern! Ich möchte zurückkehren , dachte sie trotzig.
    Dann kehren wir gemeinsam zurück , antwortete Gashunsunu dem gedanklichen Wunsch.
    Paolina ignorierte die Entgegnung und zog die Aufzugskrone zur vierten Position heraus. Sie versuchte, Gashansunus Herz zu finden, den Rhythmus, der diese Frau antrieb, aber da war nichts. Als ob sie im leeren Raum nach Worten suchte.
    Doch die andere Gashansunu am anderen Flussufer war sehr real. Paolina konnte sie selbst aus dieser Entfernung ausmachen, denn sie war so leicht zu erkennen wie ein Sturm. Sie stellte den vierten Zeiger auf den Rhythmus von Gashansunus wa ein.
    Die Frau erstarrte. Wir gehen jetzt.
    Sie zerrte Paolina voran, die damit gezwungen war, den Fluss wieder zu überqueren. Paolina aber ließ ihren Geist nur nach vorne gehen, ohne eine Gegenbewegung in die andere Richtung hervorzurufen, womit sie willentlich das Ergebnis ihrer früheren Experimente beim Versenden des Schimmers heraufbeschwor.
    Etwas flammte hinter ihnen auf, und damit waren sie zurück in der Schattenwelt.
    »Tu das nie wieder!«, schrie Gashansunu.
    Am anderen Ufer stürzten zwei Bäume in den Fluss. Schlamm und Lehm regneten auf sie herab.
    »Beeindruckend«, sagte Ming von seinem Ausguck. »Du wirst immer gefährlicher.«
    Niemand

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