Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
außer Paolina verstand seine chinesischen Worte. Sie schnitt eine Grimasse und wandte sich Gashansunu zu, denn die Zurechtweisung durch diese Frau hatte ihren Stolz verletzt. Das war etwas, was ihr auch ein Mann hätte antun können. »Überwindest du auf diese Weise große Strecken?« Der vierte Zeiger drehte durch, als Paolina ihn auf sich selbst ausrichtete. »Ich werde dir einen einfacheren Weg zeigen!« Sie stieß sich ab und schickte sich über den Fluss, wo sie auf einem der umgestürzten Bäume zu stehen kam.
»Hier!«, brüllte Paolina über das mondbeschienene Wasser hinweg und schickte sich dann zurück. Etwas krachte, und als sie sich umdrehte, sah sie, wie der Baumstamm in mehrere Stücke zerbrach. »Und hier «, sagte sie zu Gashansunu, als sie sich ihr auf wenige Zentimeter näherte. »Ich könnte mich auch auf den Mond versetzen, wenn es mich danach verlangte.«
Arellya und Ming waren aufgesprungen und eilten die Stufen zu den beiden Frauen hinunter.
»Wir wissen, dass du über Macht verfügst«, sagte Gashansunu ruhig. »Die Frage ist nur, wie du sie einsetzt und ob du damit das Gleichgewicht der Welt zu sehr gefährdest.«
Paolina keuchte. Die Welt um sie herum schien zu ticken. Gashansunus wa war im Mondlicht fast zu erkennen.
»Ich wünschte mir, nicht von meinem Stolz beherrscht zu sein«, gab sie zu, denn sie schämte sich für ihr Verhalten. »Oder Dummheit.«
Ming berührte sie am Arm, als ob er sie vom Rande eines Abgrunds zurückzuholen versuchte. Arellya stand auf ihrer anderen Seite. Gashansunu starrte Paolina einfach nur an, und ihre Augen schimmerten im Mondlicht schwarz wie Ebenholz.
»Dann musst du das lernen. Lernen wie ein Kind, das seine Kräfte entdeckt hat, seine Launen aber noch nicht kontrollieren kann. Wenn ich dich zwanzig Jahre lang in einem der Häuser der Stadt aufnehmen könnte, wäre ein Anfang gemacht.«
Dieser Gedanke verlockte Paolina, aber sie musste in die Nördliche Hemisphäre zurückkehren, um Boas zu finden und al-Wazir wiederzusehen. Zum ersten Mal, seitdem sie diesen furchtbaren Ort verlassen hatte, wurde ihr auch klar, dass sie nach Praia Nova zurückkehren und den Mädchen und Frauen helfen musste, die seit Jahrzehnten unter der Herrschaft der Männer litten.
All dies musste auf eine Weise geschehen, die weder sie noch die Taschenuhr gefährdete und all das, was ihr lieb und teuer war, vor dem Untergang bewahrte.
»Ich bin keine Waffe«, teilte sie Gashansunu mit und erinnerte sich an die Worte, die sie vor der chinesischen Flotte an der Küste Sumatras ausgesprochen hatte.
Die Hexenmeisterin löste das Band. »Wenn ich einen Weg wüsste, um das wa zu erwecken, zu dem du gehörst, dann würde ich es tun.«
»Lass uns schlafen gehen«, ermahnte sie Ming. »Wir haben auf der Anhöhe ein gemütliches Lager aufgeschlagen.«
Paolina wusste, dass sie über das, was sie von Gashansunus Schweigender Welt gelernt hatte, nachdenken musste. Es würde natürlich niemals so einfach sein, aber heute waren einige wirklich wichtige Dinge geschehen. »Werde ich denn lernen, diese Schritte zu machen?«, fragte sie.
Gashansunu blickte teilnahmslos, aber demonstrativ auf die Taschenuhr in Paolinas Hand. »Du weißt es bereits.«
Du weißt bereits zu viel. Diese Worte hingen unausgesprochen in der Luft.
»Ich danke dir.« Paolina ließ sich aus dem Amphitheater wegführen.
Wang
Sein Mund war voller Blut.
Er versuchte, seine Augen zu öffnen, und schaffte es nicht. Zu blinzeln schien ihm auch nicht zu helfen. Eine Augenbinde?
Die Geräusche eines Schiffs auf See umfingen ihn. Er vernahm das Klatschen der Wellen gegen den Rumpf, das Knarzen des Decks, gemurmelte Befehle. Er befand sich an Bord der Good Change und noch nicht vor dem Richter der Toten.
Diesmal gelang es ihm auszuspucken. Er schaffte es nicht weit, vermutlich landete der Schleim nur auf seinem Brustkorb, aber er konnte nun leichter atmen. Eine Glocke wurde geschlagen, jemand rief etwas, dann war wieder alles still.
Schließlich brachte ihm Wu Licht. Natürlich war es eine Augenbinde gewesen. Dessen war sich Wang aber erst sicher, als der erste Maat das Seidentuch ablöste. Sein Kopf musste ganz schön in Mitleidenschaft gezogen worden sein.
Der andere Mann hockte sich vor Wang. Der Katalogisierer stellte fest, dass er an einem Stuhl festgebunden worden war. »Verräter.« Wu sprach dieses Wort recht unbefangen aus, und sein Tonfall ließ in keiner Weise auf seine große Bedeutung
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