Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
Doktor an , dachte Kitchens. »Überzeugt wovon?«
»Man hat mir etwas erzählt. Etwas, das ich nicht glauben wollte.«
»Und das wäre?«
Der Doktor sah ihm in die Augen. »Ich werde es Ihnen zeigen, wenn Sie den Mumm dazu haben.«
Sie fuhren mit einer Draisine tiefer in den Tunnel hinein, am Lager vorbei. Ottweill betätigte den Mechanismus, damit sie vorankamen, und die Zahnräder dankten es ihm mit einem abwechselnden Quietschen. Kitchens dachte kurz darüber nach und kam zu dem Schluss, dass der Krach sicher dazu diente, die Ankunft der Draisine anzukündigen. Sicherlich wurde auch diese Strecke überwacht.
Der Krach des Dampfbohrers fühlte sich aus dieser Nähe praktisch wie ein greifbares, solides Etwas an. Staub hing in der Luft, als ob die Decke dieses Tunnelabschnitts die ganze Zeit vibrierte. Er roch verbranntes Öl, heißes Gestein und den Schweiß der Männer.
Bald schon verschwanden zu beiden Seiten die Wände. Eine weitere, größere Kammer öffnete sich vor ihnen. Es gab keine Lichter, aber Lokomotiven und Waggons zeichneten sich im Schein von Ottweills Laterne als dunkle Umrisse ab. Er ließ den Handhebel los und die Draisine kam langsam zum Stehen.
Ottweill vollzog mit seiner Laterne einige Gesten, ein offensichtlich abgesprochenes, komplexes Lichtsignal. Sie blieben stehen und warteten. Es öffnete sich keine Tür. Kitchens fragte sich warum.
Dann ließ der Krach nach. Er hörte nicht einfach auf, sondern verwandelte sich vom unerträglichen Dröhnen eines Metallorkans in das gequälte Geräusch von Gestein, das von einem gigantischen Mahlwerk zerrieben wurde; dann in das Klirren sehr schweren Eisens in Bewegung, dann in das Kreischen entweichenden Dampfs und schließlich in eine brüchige Stille, die ihn an die ersten Sekunden eines Bergsturzes erinnerte, kurz bevor eine gesamte Bergwand abbrach und zu Tal stürzte.
Ottweill drehte sich zu ihm um und sagte etwas. Seine Ohren klingelten viel zu sehr, um die Aussage des Doktors verstehen zu können, aber Kitchens nickte dennoch. Es hatte keinen Sinn, sich lautstark zu streiten, wie sie die Grabungen auf der anderen Seite erreichten.
Der Doktor trat an das Tor in der Stahlmauer heran. Es schwang dank der wohlverborgenen Wächter wortlos vor ihm auf. Kitchens folgte ihm in eine völlig neue Form der Hölle.
Zwölf
Leg mich an dein Herz wie ein Siegel, wie ein Siegel an deinen Arm.
Stark wie der Tod ist die Liebe, hart wie das Totenreich die Leidenschaft. Feuerglut ist ihre Glut, eine Flamme von Jah.
Hohelied 8:6
Boas
McCurdy näherte sich Boas’ Ruheplatz. »Können Sie zu der Lichtung zurückgehen? Die Männer des Doktors sind wieder auf der Palisade, und die Erinyes kreist erneut über uns. Ich glaube, dass Leutnant Ostrander sie auf ein Zeichen von uns landen will, und ich würde mich besser fühlen, wenn Sie da wären.«
»Sie ist Ihr Schiff, Bootsmann«, antwortete Boas. »Sie haben doch Harrow, der Ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht.«
»Er ist schon in Ordnung, aber ich würde ihn nicht als Freund bezeichnen. Außerdem kennen Sie den Leutnant zumindest ein wenig. Harrow ist ein ordentlicher Kerl und wird auf Ostranders Rang achten, nicht auf das, was er tut.«
Boas war gegen seinen Willen fasziniert. »Wollen Sie ihn seines Kommandos entheben?«
McCurdy war deutlich anzusehen, wie viel Unbehagen ihm dies bereitete. »Ohne die Erinyes sind wir hier gefangen. Da wir uns im Krieg mit den Chinesen befinden, wird es vermutlich eine ganze Zeit dauern, bis das nächste Patrouillenschiff vorbeischaut. Wenn wir Pech haben, sind das dann die Chinesen. Gegen die hätten wir keine Chance. Kaum was zu essen, praktisch keine Ausrüstung … und diese verrückten Tunnelratten in unserem Rücken.«
»Lassen Sie das diesen Kitchens in den Griff kriegen.«
»Mr Kitchens ist in diesen Tunnel hineingegangen und noch nicht wieder zurückgekehrt, mit Verlaub.« McCurdys Unbehagen nahm nun beinahe schmerzhafte Züge an. »Sie sind ein Ausländer, außerdem ein Feind und noch nicht mal ein Mensch. Aber ich brauche jemanden, der wie ein Offizier denken kann. Ich werde vermutlich sowieso dafür hängen, und dass ich mich mit Ihnen verbrüdere, macht’s auch nicht besser, aber ich kann den Skipper einfach nicht allein entmachten.«
Sie plagten sich die Anhöhe zu den anderen gestrandeten Besatzungsmitgliedern hinauf.
Boas starrte zur Erinyes hinauf und fragte sich, wie lange sie auf den nächsten Angriff der geflügelten Wilden warten
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