Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
Blicke trafen sich. »Sah sich Hethor auf seiner Reise nach Süden nicht genau einem solchen Augenblick gegenüber? Ich erinnere mich daran, wie die Erde erbebte und Wellen hervorrief, die ganze Städte vernichtete und einen großen Teil der afrikanischen Küste überschwemmte.«
»Hethor folgte einem Feuer, das ich nicht sehen konnte«, antwortete Arellya leise. »Ich nahm eine große Gruppe unserer jungen Männer mit, und wir begleiteten ihn. Er erlangte den Zugang zum Mittelpunkt aller Dinge, aber ich wurde gegen meinen Willen dorthin gebracht. Er kämpfte dort gegen einen Feind und entschloss sich, mein Leben mehr zu lieben als sein eigenes. Ein Geschenk seines Herzens an seinen Gott.«
»Und was, wenn er nicht anwesend gewesen wäre?«
»Dann wäre jemand anders dort unten gewesen.« Die Frau zuckte mit den Achseln. »Oder die Erde hätte sich immer stärker geschüttelt, bis wir wie Flöhe von einem fliehenden Fuchs gefallen wären. Es gab nicht einen einzigen einzelnen Moment, an dem die Welt ihr Ende gefunden hätte, abhängig von seiner Anwesenheit oder Abwesenheit.«
Paolina verstand diese Argumentation, aber sie beunruhigte sie. »Bei all dem muss die Möglichkeit zur freien Wahl bestehen.«
»Was gibt es da zu wählen? Wir werden in diese Welt geboren, wir leben eine Zeit lang auf ihr, dann ziehen wir weiter. Was macht es schon aus, ob man den linken oder rechten Pfad wählt; die rote oder die blaue Blume? Die Welt bleibt dieselbe.«
»Wenn man sich dazu entschlösse, einen Fluss aufzustauen, und daraus ein großer See entstünde, während die dahinterliegenden Länder vor Durst sterben, dann wäre das eine Wahl, die die Welt veränderte.«
Arellya lächelte. »Denk doch daran, mit wem ich lebe. Er ist der unangefochtene Meister solch schwieriger Fragen. Ich würde dir auf diese Weise antworten: Mit der Zeit werden Regenfälle den See so stark anschwellen lassen, dass der Damm bricht. Der Dammbruch wird den Fluss auf viele Kilometer seines Verlaufs und für viele Jahre zerstören, aber eine halbe Generation später wird sich das Land das zurückgeholt haben, was ihm ohnehin gehörte. Der Erbauer des Damms ist da schon längst ertrunken, und die Welt ist wieder so, wie sie früher war.«
»Wäre denn alles beim Alten geblieben, wenn niemand dorthin gegangen wäre, wo Hethor hingegangen ist, um die Hauptfeder der Welt zu reparieren?«
»Vielleicht nicht.« Ihr Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. »Aber ich mache mir über die Schlüssigkeit meiner Argumente keine Gedanken.«
Paolina erwiderte ihr Grinsen mit einem Lachen. »Du wärst eine schlechte Priesterin. Für sie muss alles schlüssig sein.«
»Ich danke dir vielmals.« Arellya deutete auf das Obst, das Paolinas Hand beschmutzte. »Du solltest jetzt essen, damit du einen klaren Kopf hast. Es scheint mir, dass du heute eine große Strecke zurücklegen wirst.«
»Ich würde um die Welt reisen«, sagte Paolina, »um Boas zu finden. Er ist der einzige Mann, dem ich wirklich vertraue.«
»Dann ist er da draußen und wartet auf dich, an irgendeinem Punkt dieser Welt.«
Ming nahm Paolina zur Seite, als sie in die dunklen Schatten des Hauses zurückkehrte. »Werden Sie uns über die Mauer zurückbringen?«, fragte er auf Chinesisch. Ein Ausdruck der Angst huschte über sein Gesicht.
»In einem großen Schritt«, lautete ihre Antwort. »Möchten Sie lieber zu Fuß gehen?«
»Ich bin kein … aber davor habe ich Angst.«
Sie verstand das Wort nicht, aber der Zusammenhang war deutlich genug. »Es ist eine lange Reise. So kann ich Sie schneller nach Hause bringen.«
»Wohin? Auf die Five Lucky Winds? Ich wüsste nicht, wie Sie sie finden wollen?«
»Nicht auf das Schiff, außer natürlich, Sie möchten das. Wartet zu Hause vielleicht eine Frau auf Sie?«
Ming starrte betreten auf seine Füße und sah sie dann wieder an. »Nicht meine Ehefrau, nein. Aber es gibt da jemanden, in Eluanbi.«
»Möchten Sie zu ihr gehen? Ich glaube, ich kann Sie dorthin schicken.«
Der Matrose lief hochrot an und wandte sich ab.
Was habe ich gesagt? , wunderte sich Paolina.
Die seltsame Hexenmeisterin Gashansunu stand neben Hethor. Beiden gemeinsam war dieser unangenehm berührte Blick von Menschen, die lieber etwas anderes tun würden. Paolina sprach die Frau an.
»Ich danke dir für die Zeit, die du dir für meinen Unterricht genommen hast. Du hast mir Dinge gezeigt, die ich an der Taschenuhr nicht verstanden hatte. Ich habe jetzt vor, nach Norden zu
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