Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
Hand – der alte Mann beherrschte einige zauberhafte Tricks, mit denen er die Besatzung unterhielt. Aber hinter ihr stand jemand anders und rauchte unbeschwert.
»Sie –«, sagte Childress auf Chinesisch, unterbrach sich dann aber. Das war kein Matrose. Es handelte sich tatsächlich um einen Mönch orientalischer Provenienz; die Farbe des Gewands war im Mondlicht nicht deutlich zu erkennen. Ein grinsendes asiatisches Gesicht; klare, funkelnde Augen; ein rasierter Schädel. Dann wurde ihr klar, dass es sich um eine Frau handelte.
Ich habe sie schon mal gesehen. Auf Wangs Jacht.
Der Mönch legte die Finger auf die Lippen und schüttelte leicht den Kopf. »Wecken Sie sie nicht auf«, flüsterte sie auf Englisch. »Es ist schwer genug, nicht auf mich aufmerksam zu machen; ein lautes Gespräch würde nicht dabei helfen, sie weiterhin abzulenken.«
» Wer sind sie?«, fragte Childress leise, aber eindringlich. Sie brauche nur laut zu schreien, und die Matrosen würden ihr zu Hilfe eilen. »Was machen Sie auf meinem Schiff?«
»Ihrem Schiff?« Der Mönch schien dies für eine amüsante Aussage zu halten. »Das wäre für Kapitän Leung sicherlich eine Überraschung.«
Childress fühlte sich kurz schuldig, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder. Dieses Gefühl war nur der Kunst verbaler Überzeugungskraft geschuldet. Sie würde auf simple Rhetorik nicht hereinfallen.
»Es ist nun ganz sicher nicht Ihr Schiff.«
»Nein, aber dies ist meine Reise.« Der Mönch klopfte die Pfeife aus. Funken glommen, bevor sie von den Wellen des Roten Meers gelöscht wurden. »Jedes Schiff fährt eine Vielzahl möglicher Ziele an.«
»Ersparen Sie mir Ihr doppeldeutiges Gerede. Ich habe vierzig Jahre lang mit Theologen arbeiten müssen. So dumm bin ich nicht.«
»Wissen Sie, dass ich Ihr Freund bin?«, fragte der Mönch. »Ich habe sehr hart dafür gearbeitet, hier bei Ihnen sein zu können.«
Die Maske griff nach dem Gewand der Frau. Es war trocken und weich. Nicht salzverkrustet, wie man es nach langer Reise auf dem Meer erwarten könnte. Sie war jedenfalls nicht aus dem Wasser auf das Deck gekrabbelt, zumindest nicht in den letzten paar Stunden.
»Sie sind schon eine Zeit lang mit uns gefahren.« Und davor auch schon.
Ein Grinsen. »Ich bin immer bei Ihnen.«
»Nein«, sagte Childress mit entschlossener Stimme. »Das sind Sie ganz bestimmt nicht.«
»Sie haben siebzehn Knöpfe an Ihrem schwarzen Kleid«, sagte der Mönch, nun auch mit Eis in der Stimme. »Es sollten achtzehn sein, aber einer fehlt, der Dritte von unten. Kapitän Leung bewahrt eine Ferrotypie seiner Eltern und seiner Schwester in Ihrer Kabine auf. Das Steuerrad auf der Brücke besteht aus messingbeschlagenem Teakholz aus den Wäldern Siams, während das Steuerrad auf dem Kommandoturm aus poliertem Stahl besteht. Der Kapitän lässt es jeden Tag, an dem Sie über Wasser fahren, durch einen seiner Männer bearbeiten.«
» Wer sind sie?«
Wieder blitzte das Grinsen auf. »Mein Name ist nicht von Bedeutung, nicht einmal für mich selbst. Aber überlegen Sie Folgendes: Wenn der Schweigsame Orden und die avebianco die Interessen zweier unterschiedlicher Fraktionen unter den Menschen darstellen, die sich mit Angelegenheiten von großer Bedeutung auseinandersetzen, wer setzt sich dann für die Interessen der Erde selbst ein?«
»Gott«, platzte es aus ihr heraus.
»Ihr Gott ist nur die Perspektive, aus der Sie die Welt verstehen«, sagte der Mensch. »Können Sie auf ihn zeigen? Ich kann auf die Erde zeigen.«
»Noch mehr Rätsel.« Childress sah zum Himmelsgewölbe hinauf. »Es sind viel zu –«
Sie hielt inne, als ihr klar wurde, dass der Mönch nicht mehr vor ihr stand. Die Frau wandelte auch nicht zwischen den schlafenden Matrosen auf Deck. Nur die Andeutung von Pfeifenrauch hing noch eine Zeit lang in der Luft, bevor diese letzte Spur ihrer Anwesenheit vom Wind fortgeweht wurde.
Childress ging unter Deck. Es hatte keinen Zweck, Alarm zu schlagen. Doch bevor sie sich schlafen legte, verriegelte sie gewissenhaft die Luke ihrer Kabine und kontrollierte zweimal, dass sie sie auch sicher verschlossen hatte.
Paolina
Sie fiel.
Die sie umgebende Luft griff gierig mit den Händen eines wahnsinnigen Dings nach ihr. Unter ihr drehte sich der nachtdunkle Boden. Weit unter ihr. Jemand schrie.
Wer auch immer da schrie, verwendete ihre Stimme.
Das beleidigte Paolina.
Über ihr entfernte sich ein Luftschiff. Gashansunu fiel ebenso, aber die Hexenmeisterin
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