Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
begann zu lachen. Bork drehte sich zu seinen Männern um, geriet aus dem Gleichgewicht und fiel hin.
Das war eine geradezu absurde Slapstick-Einlage, die den britischen Offizier jeglicher Würde beraubte. Childress verkniff sich ein Lächeln, als Bork von zweien seiner Begleiter auf die Beine geholfen wurde. Die anderen fischten ihre Kameraden aus dem Wasser, unterstützt von den belustigten Chinesen.
»Madam, wenn Sie tatsächlich glauben, dass Sie diesen Augenblick als ihren Sieg verbuchen können«, rief der Korvettenkapitän, »dann täuschen Sie sich aber gewaltig!« Er drehte sich auf dem Absatz um und bemerkte dann seinen Fehler.
»Ein dramatischer Abgang ist wesentlich beeindruckender, Sir, wenn man tatsächlich über einen Ausgang verfügt«, sagte Childress leise hinter seinem vor Wut zitternden Rücken.
Die Menschenmenge auf dem Pier schüttelte sich vor Lachen, und die Matrosen auf den anderen Schiffen taten es den Leuten gleich, allerdings nur, bis Bork seinen Blick über sie schweifen ließ.
»Sie werden es schwer haben, einer Beförderungskommission zu erklären, wie Sie es einer Frau und einem Haufen grinsender Chinesen erlauben konnten, Sie an Land schwimmen zu sehen«, sagte sie zu ihm.
Bork knurrte sie an. »Sie werden mir freundlicherweise ein Boot zur Verfügung stellen, Madam.«
»Natürlich.« Childress wandte sich an Kapitän Leung. »Die Barkasse für unseren Gast, Mr Leung, mit Besatzung. Wir möchten ja nicht, dass unser Eigentum am falschen Ort landet.«
Der Mönch würde an Land gehen, das wurde ihr in diesem Augenblick klar. Genauso wie die Frau an Bord gekommen war – unsichtbar für Beobachter, bis sie es für angebracht hielt, sich wieder zu zeigen –, würde sie das Boot unbemerkt verlassen. Die Chinesen wussten, dass es wenig Sinn hatte, so jemanden ins Verhör nehmen zu wollen, wenn sie denn überhaupt einen Blick auf ihr Gewand werfen oder den Rauch ihres Pfeifentabaks bemerken sollten. Den Briten würde sie ohnehin nicht auffallen.
Los , dachte Childress. Ändere die Meinung des Kommandanten und befreie al-Wazir aus seiner Zelle.
Die Barkasse wurde aus ihrem Platz unter dem Deckgräting emporgewunden und ins Wasser gelassen.
»Reisen Sie mit meinem Segen«, rief Childress ihm hinterher.
Sie hoffte, dass die Tricks des Mönchs, welcher Art sie auch sein mochten, die Angelegenheit bald zu ihren Gunsten entscheiden würden. Sie konnten wohl kaum in diesem Hafen herumsitzen und darauf warten, dass sich Wang und seine Kameraden irgendeine Teufelei einfallen ließen. Oder schlimmer, dass der Krieg sie hier ereilte.
Die Five Lucky Winds würde chinesischen Granaten genauso leicht und vermutlich mit wesentlich größerer Begeisterung zum Opfer fallen als den Nachstellungen der Briten.
Der Korvettenkapitän und seine Männer ruderten verärgert, aber geordnet vom Unterseeboot fort und nahmen ihre Beobachter in der heillos überladenen Barkasse mit. Damit war die Five Lucky Winds endlich wieder allein in der Hand seiner überlebenden Besatzung. Abgesehen von al-Wazir, dessen Verbleib ungeklärt blieb.
Zum Thema Verbleib stellte sich zudem unmittelbar die Frage: Warum war Wang hier? Seine Absichten ihr gegenüber konnten wohl kaum freundlicher Natur sein, aber sie hatte in den Augen dieses Manns, damals in Panaji, auch keine Hinterhältigkeit entdeckt. Auf jeden Fall würde er sich dem Unterseeboot sicherlich nicht nähern, solange es in direkter Nähe der Briten ankerte. Wang nicht, denn in seiner Brust schlug mit Sicherheit kein leidenschaftliches Herz.
Das von einem Mann zu denken, war schon seltsam.
Kitchens
Ein Mann brüllte ihm ins Ohr. Er hatte von baufälligen Hütten geträumt und von einer Eisenbahnstrecke, die um die gesamte Welt führte, sich wie Stacheldraht um den Schädel eines Märtyrers legte, mit brüchigem Rost und einem Regen aus kaltem Stahl.
»Wa–«
Er hatte das Rasiermesser in der Hand, und ein Matrose stolperte panisch rückwärts von ihm fort.
Eine Krise stand ihnen bevor, das war klar. Kitchens war nicht einmal unter Deck gegangen, sondern hatte sich einfach hinter einen Ausrüstungsschrank auf dem Vorderdeck gequetscht. Er wusste nichts von der Erinyes oder den Vorbereitungen ihrer Besatzung.
Es handelte sich eindeutig nicht um einen Angriff, denn es wurden keine Geschütze oder Schüsse abgefeuert, weder aus der Artillerie in den Geschütztürmen am Schiffsrumpf noch aus den Gewehren der Mannschaft.
Er stand auf, rieb sich die Augen und
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