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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ist, der die Schwelle zum Mann noch nicht überschritten hat. Ich weiß viel über die Dinge, die sich jenseits meines Dorfs befinden. Ist es bei dir nicht genauso?«
    »Die Grenzen meines Dorfs wurden von kleingeistigen, verängstigten Seelen gezogen«, brummte Paolina. »Sie errichteten Mauern, die höher als a Muralha selbst waren, um sich dahinter verstecken zu können, und sperrten ihre Frauen ein, damit sie sich in ihrem selbstgemachten Käfig größer fühlen konnten.«
    »Dann ist es vielleicht deine Lebensaufgabe, die Käfige zu öffnen und die Menschen zu befreien.«
    »Meine Aufgabe in diesem Leben ist es, Menschen mit den Dingen zu töten, die ich mit eigenen Händen erschaffen habe.« Das hervorragende Fleisch hatte sich in ihrem Mund in einen widerwärtigen Brei verwandelt, und der Wein schien in seiner Schale sauer geworden zu sein.
    Kalker streichelte ihr sanft über die Wange. »Du bist bereits dabei, deinen Weg zu gehen, aber du kannst ihn noch nicht sehen.«
    Sie begann zu weinen und hasste sich für ihre schändliche Schwäche, konnte aber nicht aufhören. In diesem Augenblick, im flackernden Feuerschein, wurde ihr klar, was sie schon immer gewusst hatte. Es war für sie an der Zeit, endlich wieder den Weg zu Boas zu finden.
    Gashansunu
    Sie folgte ihrem wa entlang der Geisterpfade durch die Schweigende Welt, gehüllt in die Macht der Leben, die sie den Tieren des Dschungels geraubt hatte. In der Stadt geschah dies nur selten, aus Angst vor den unzähligen Geistern, die gierig geifernd die Schatten bevölkerten. Auf jeden Fall war die Schweigende Welt innerhalb der Kreise so dicht gefüllt, dass die Entfernung zwischen zwei Punkten wesentlich größer war, wenn man sie nicht mit einem schlichten Spaziergang hinter sich brachte. Es konnte zum Beispiel Stunden dauern, von einem Haus zum anderen zu gelangen.
    Außerhalb der Mauern wirkte die Schweigende Welt schwächer, was bedeutete, dass man mit wenigen Schritten über einen Kilometer hinter sich bringen konnte. Natürlich gab es Knoten und Gewirr und Durcheinander – Schauplätze alter Schlachten oder Orte, an denen in der Vergangenheit große Zauberkunst gewirkt worden war, oder ein Eindringen der Erde und ihrer unterirdischen Machtströme. Wer jedoch aufmerksam blieb und sein wa geschickt einzusetzen wusste, konnte solchen Ablenkungen aus dem Weg gehen. Gashansunus wa verfügte über eine solche Geschicklichkeit und war in ihren Augen eins der besten.
    Außerdem war die glitzernde Spur eines Schimmers außerhalb des funkelnden Abgrunds, den die Stadt darstellte, wesentlich leichter zu sehen.
    Sie brachte die vielen Kilometer des Dschungels so leichthin hinter sich, dass sie für die Außenwelt einer leichten Brise glich. Schlangenherzen, verborgen in hohlen, dickbauchigen Baumstämmen, schlugen im Schlaf schneller, und ihre schmächtigen, silbrigen Fäden gleichenden Seelen leuchteten in der Schweigenden Welt stärker auf, als es die meisten Schlachttiere zustande brachten. Bunte Vögel erhoben sich kreischend in die Luft, wie glitzernde Edelsteine auf der Flucht vor der lähmenden Kühle, die Gashansunus wa im Vorübergehen ausstrahlte. Riesige Krokodile, berüchtigt und gierig, warfen Schlamm auf, als sie sich tiefer in den Flussboden gruben.
    Die Außenwelt drehte sich unter ihren Füßen. Die Schweigende Welt blieb beständig, wie immer.
    Ihr wa teilte Gashansunu schließlich mit, dass es an der Zeit für eine Ruhepause war. Sie trat aus der Schweigenden Welt auf einen zerbröckelnden schwarzen Felsbrocken, der sich über einem feuchtkalten Sumpfgebiet erhob. Büffel aßen sich an Gräsern satt, die ihnen bis zu den Schultern reichten. Ein junger Bulle, der nach Raubtieren Ausschau hielt, sah auf und blickte Gashansunu an. Sie entsandte ihr wa , um ihn zu beruhigen, und bald schon aß er in Ruhe weiter.
    Sie fegte einen kleinen Felsvorsprung sauber und setzte sich hin. Ihr Blick war nach Westen gerichtet, so wie es die Bräuche ihres Hauses verlangten. Dabei handelte es sich nicht um Torheit oder Selbstmord – sie konnten in jede Richtung sehen, die die Vernunft, die Sicherheit oder der Nutzen diktierten –, aber wenn sie im Ruhezustand waren, dann entsprachen die Mitglieder des Hauses des Westens ihrem Ruf.
    Wenn die Sonne den Bezirk des Himmels verließ, dann floh sie nach Westen. Im Westen erstreckte sich der grenzenlose Ozean, der sich mit jeder Welle gegen die Küste warf. Der Westen war die Heimat der Meeresungeheuer der Tiefen, die

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