Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
Bootsmann und die Freigänger hantierten so begeistert mit den Signalflaggen herum wie Falschspieler kurz vor der Schlussglocke mit ihren Karten.
    Die Chinesen erwiderten die Signale.
    Entweder handelte es sich um ein Komplott des Schweigsamen Ordens oder der Verdacht auf Verrat durch die Notus und ihre Besatzung erwies sich als doppelt wahr. Kitchens fragte sich, welche Alternative Furcht erregender war. Dann fragte er sich, wie schnell er über die Reling geworfen werden würde.
    Hinrichtungen an Bord eines Luftschiffs waren sehr leicht durchzuführen.
    Die chinesischen Luftschiffe beendeten nun ihre Verfolgung und nahmen stattdessen langsam Kurs in Richtung der Notus . Aber das war kein Vertrauensbeweis, denn Kitchens bemerkte, dass sie die Kanonen immer noch auf die Briten gerichtet hatten; es schien jedoch, als würde sich zumindest ein Gespräch ergeben. Das kleinere Luftschiff raste währenddessen davon und brachte sich in Sicherheit. Er sah schweigend zu, wie Sayeed sich mit seinem Fernmeldeoffizier besprach, ein kleines Buch im Ledereinband konsultierte und dann mit zusammengekniffenen Augen die chinesischen Flaggen betrachtete.
    Irgendwie waren sie vom möglichen Gestank eines blutgetränkten Schlachtfelds zum Luftschiffgegenstück eines Verhandlungsmarathons gelangt.
    Zu Kitchens’ Überraschung drehte sich Sayeed zu ihm um. »Mr Kitchens, könnte ich Sie kurz sprechen, Sir?«
    Die beiden Männer standen kaum fünf Meter auseinander, aber diese Frage war die Einladung, ein Tor zu durchschreiten, das eben noch vor seinem Gesicht zugeschlagen worden war. »Ich stehe Ihnen zur Verfügung, Kapitän.«
    Sayeed trat an ihn heran, den Lederband noch in der Hand. »Ihre Kollegen Sonderbeauftragten haben sich bei der Durchsuchung des Schiffs keine sonderlich große Mühe gegeben.« Er drehte das Buch, sodass Kitchens den Einband besser zu sehen vermochte. »Dies ist ein Codebuch. Ich bekenne mich des Verrats schuldig, allein dadurch, dass ich Ihnen das hier zeige, aber die vorliegende Angelegenheit ist von größerer Bedeutung als die Frage meiner Schuld oder Unschuld.«
    Kitchens überlegte sich seine Reaktion gut. »Und was wäre diese Angelegenheit, Kapitän?«
    »Das hier ist kein Grenzscharmützel. Wir jagen einander regelmäßig am Rand der Mauer.« Die Grimasse, die Sayeed nun schnitt, ließ sein sonst so vornehm wirkendes Gesicht seltsam aussehen und passte gar nicht zu seiner kultivierten Stimme. »Eine Art Wettkampf, könnte man sagen, der von Kapitänen auf beiden Seiten in einem gewissen … Einvernehmen geführt wird.«
    »Die Admiralität ist darüber umfassend informiert.« Allerdings ahnte der Führungsstab vom Ausmaß der Komplizenschaft, das hier von Sayeed angedeutet wurde, nichts, zumindest nicht, soweit Kitchens darüber Bescheid wusste. Waren die gesamten westafrikanischen Posten unterwandert? Dass ihm der Kapitän dies nun eingestand, war für Kitchens ein deutlicher Hinweis, dass es ihm nicht erlaubt werden würde, seinen Bericht in London abzuliefern.
    »Dieses … Einvernehmen … Es kommt vor allem in kleineren Häfen zum Einsatz. Dort können Luftschiffe Seite an Seite anlegen, ohne sofortige Kriegshandlungen ausbrechen zu lassen. Einige von uns übernehmen dabei eine aktivere Rolle.«
    Der Navigator steckte Sayeed einen Zettel zu, den der Kapitän las, ohne ihn Kitchens zu zeigen.
    Sayeed fuhr fort: »Lassen wir es dabei bewenden, dass Ihre Ängste vor Geheimgesellschaften mehr als begründet sind. Der ranghöchste Offizier an Bord des anderen Luftschiffs ist ein Mitglied des Schweigsamen Ordens, genau wie ich, wie Sie sicherlich wissen. Er hielt es für dringlicher, mit mir zu sprechen, als blinder Loyalität zu folgen und sofortige Kampfhandlungen einzuleiten.«
    Seine nächsten Worte wählte Kitchens mit Bedacht. »Soweit ich weiß, brechen hier nur sehr selten tatsächliche Gefechte aus.«
    »Nein, nicht so häufig, aber das hat sich geändert.« Sayeed tippte auf das Buch in seiner Hand. »Das Empire befindet sich im Krieg mit dem Himmlischen Königreich, auch wenn London darüber noch nicht umfassend informiert sein wird. Dank des Mädchens Paolina zerstörte die Notus auf ihrer letzten Reise, die sie von der Mauer in Richtung Norden führte, die Shi Hsi-Chi . Kapitän Huang hat mir gerade mitgeteilt, dass unsere Einheiten ein weiteres Luftschiff aufgebracht haben, das sich auf einer Routineaufklärungsmission auf halber Strecke am afrikanischen Teil der Mauer befunden hatte.

Weitere Kostenlose Bücher