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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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eingeatmet, um wütend weiterzureden, aber diese Aussage verschlug ihm den Atem. »Sie kennen al-Wazir?«
    Etwas Kleines klatschte in den Boden zwischen ihnen.
    »Ja«, antwortete Boas.
    »Wir werden uns später unterhalten.« Der Mann sah den Hügel hinauf. »Werden diese englischen Waffen auf uns gerichtet?«
    »Das glaube ich wohl«, antwortete Boas. »Ihre Männer in der Mauer haben Besuchern gegenüber eine ziemliche Abneigung entwickelt.«
    »Ottweill lebt!«
    »Der verrückte Doktor? Bedauerlicherweise ja. Ich habe versucht, ihn davon zu überzeugen, dass sein Projekt sinnlos ist. Ich wollte ihm klarmachen, dass die Mauer kein massives Bauwerk ist, durch das es sich einfach hindurchgraben ließe. In Wirklichkeit ist sie ein Schutz für Milliarden Tonnen rotierenden Messings, welches dazu benötigt wird, die Erde auszubalancieren und ihre Rotation zu steuern.«
    »Wir werden uns später auf jeden Fall unterhalten.«
    Boas machte sich nun daran, die Verteidigung zu organisieren. Der Neuankömmling half dabei, das Durcheinander aus herabgefallenen Codebüchern, Logbüchern und anderen Materialien in Ordnung zu bringen. Weitere Männer kamen die Seile herab. Einige führten Navigationsgeräte oder ähnlich wertvolle Gegenstände mit sich.
    Ein schmuddliger, kleiner Mann, der erst kürzlich drei Finger verloren haben musste, landete wenige Minuten später neben ihnen auf dem Boden. »Sayeed lässt sie wieder aufsteigen, weil der Tragkörper vermutlich abfackeln wird. Achtung, Ballastabwurf!«
    Die Rettungsleinen wurden abgeworfen. Ein letztes Mal fielen mehrere kleine Objekte herab. Dann leerte die Notus ihre Ballasttanks und durchnässte sie mit abgestandenem Wasser. Boas war in diesem Moment froh, dass ihm bei seiner Erschaffung kein Geruchssinn gegeben worden war.
    Das Luftschiff schoss nach oben, zog die Rauchschwaden hinter sich her und ließ die letzten Wasserreste ab. Die Erinyes bewegte sich von dem angeschlagenen Luftschiff in größer werdenden Kreisen weg.
    McCurdy erinnerte sich an seine Aufgabe und brüllte Befehle. »Augen Richtung Palisade. Es wird uns nichts nützen, in die Luft zu starren, wenn die Männer des Doktors uns wie angebundene Köter abknallen.«
    Ein bleicher Mann, der als einer der Letzten die Leinen hinabgekommen war, schickte Kundschafter am Rand des gerodeten, schlammigen Felds entlang, um nach möglichen Zufluchtsorten zu suchen. Jedem zweiten Mann wurde befohlen, sich auf einen Angriff von der Palisade vorzubereiten und die Waffen aufzunehmen, die ihre zerlumpte Truppe zur Verfügung hatte.
    Glocken wurden über ihnen geschlagen. Die Notus hatte sich nun schwer nach Backbord geneigt, und der Rauch hatte zugenommen. Dann explodierte der Bugabschnitt des Tragkörpers in einer hellen, fast unsichtbaren Wolke, welche die Menschen am Boden mehr spürten als hörten. Ihr Bug neigte sich jäh nach vorne und ließ Männer schreiend vom nachmittäglichen Himmel herabstürzen.
    Dann detonierte der Abschnitt mittschiffs. Der Rumpf der Notus brach darauf auseinander, und das vordere Stück riss ab. Als es einen knappen Kilometer von ihnen entfernt in die Bäume stürzte, hatte es bereits weitere Matrosen in den Tod gerissen. Das hintere Rumpfstück hing noch an den Stagen und am Besanmast, der sie mit den Überresten des brennenden Tragkörpers verband.
    Die letzten Gaszellen explodierten nicht. Die Überbleibsel der Notus bewegten sich in einer langsamen Spirale nach unten und fanden ihr Ende an einer mehrere Kilometer entfernten Felszunge.
    Klatschnass, blutverschmiert und verletzt starrten die überlebenden Besatzungsmitglieder gen Osten, wo Rauchschwaden aus den umherliegenden Trümmern ihres Luftschiffs aufstiegen. Der bleiche Kerl, der der Besatzung der Notus Befehle erteilt hatte, sah den Gentleman im Anzug an. »Mr Kitchens? Was sollen wir tun?«
    Die Erinyes kreiste sehr niedrig über ihnen, und ihre Triebwerke heulten auf.
    »Übergeben Sie auf keinen Fall Leutnant Ostrander das Kommando«, sagte Boas. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, was der labile junge Offizier anzuordnen imstande wäre.
    Kitchens sah Boas und McCurdy an. »Wer ist Ostrander? Der Kommandierende über uns?«
    »Befehlshaber auf der Erinyes , Sir«, sagte der Bootsmann widerwillig.
    »Selbst im besten Fall ein schwieriger Mann«, fügte Boas hinzu, was ihm einen dankbaren Blick von McCurdy einbrachte.
    »Meine Befugnisse erstrecken sich nicht auf sein Luftschiff«, lautete Kitchens’ rätselhafte Antwort.

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