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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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genauso unwahrscheinlich, dass er seine Bücher verlassen könnte, wie der Gedanke, dass al-Wazir eines Tages auf dem Mond spazieren ginge.
    Der Oberleutnant – Roche? – drehte sich zu ihr um. »Sie kennen diesen Mann?«
    »Ja.« Childress spürte, wie nahe ihr al-Wazir stand. Sie wusste, dass der große Mann gerne selbst einige Fragen gestellt hätte.
    Oberleutnant Roches Stimme wurde eiskalt. »Und wie kann das sein?«
    »Sie arbeitet für meinen Herrn«, sagte Wang.
    »Sie haben gesagt, Sie wären eine Bibliothekarin?«, murmelte Fookes.
    »Das bin ich.« Childress straffte ihre gesamten 155 Zentimeter.
    Wang lächelte. »Mein Herr beschäftigt Bibliothekare und Archivare für seine Arbeit.«
    »Sie waren beide auf dem Weg nach Mumbai?« Der Oberleutnant hörte sich nun eher ungläubig denn misstrauisch an.
    Vielleicht kommen wir aus dieser ganzen Sache doch noch heraus , dachte Childress. Aber was machte Wang hier?
    Er war ihr natürlich gefolgt . Dieser Gedanke ließ erschreckende, aber wenig überraschende Auswirkungen erahnen.
    »Meine Reise würde durch die Hilfe dieses Manns erheblich erleichtert«, stellte sie daher fest.
    »Es wäre mir eine Freude, Sie an Bord der Good Change zu begrüßen«, sagte Wang mit einem freundlichen Lächeln. »Wir werden Sie sicher nach Mumbai bringen.«
    »Verdammter Zufall, wenn Sie mich fragen«, murmelte Oberleutnant Roche.
    »Gentlemen, ich fühle mich nicht wohl, bin von unseren Reisen sehr erschöpft und betrauere den Verlust meiner Habseligkeiten. Wenn Mr Wang und das Boot seines Herrn mich nach Mumbai bringen könnten, dann würde ich mich ihm mit Freuden anschließen. Ihre ausgezeichneten Männer können sich nun wieder ihrer Pflicht und Schuldigkeit widmen, nämlich diese bedauernswerte Stadt zu beschützen.«
    Sie ging ein kalkuliertes Risiko ein, indem sie sich Wang und seine Pläne zunutze machte, um der Aufmerksamkeit der britischen Armee zu entgehen. Childress sah über die Schulter zu al-Wazir. Der Bootsmann würde ihrem Beispiel widerspruchslos folgen, bis sich für sie die Gelegenheit ergab, das weitere Vorgehen zu besprechen.
    Oberleutnant Roche musste sich ihre Aussage erst einmal durch den Kopf gehen lassen. »Madam, meiner Ansicht nach steht es Ihnen frei zu gehen.« Der Offizier wandte sich an Wang. »Sie haben großes Glück, dass diese englische Dame Sie kennt und Fürsprache für Sie einlegen konnte.«
    Wang verbeugte sich mit einem Lächeln, das nach diesen Worten aber eingefroren war. »Sie ist meinem Herrn immer ein guter Freund gewesen.«
    »Kommen Sie, Angus«, sagte Childress zu al-Wazir. »Lassen Sie uns an Bord gehen. Wang, seien Sie bitte so gut und lassen sie Ihre Jacht meine Barkasse in Schlepptau nehmen.«
    Ein rasierter Kuli trat aus der Menge auf dem Kai hervor, um mit dem kleinen Boot zu helfen, bevor Wang seinen Leuten auf der Good Change überhaupt den Befehl erteilen konnte anzufassen. Der chinesische Bibliothekar zuckte deutlich zusammen, richtete seine Aufmerksamkeit dann aber wieder auf Childress. »Bitte hier entlang«, sagte er.
    Al-Wazir musste sich ziemlich weit hinunterbeugen, als er ihr ins Ohr knurrte: »Wissen Sie, was Sie tun, Maske?«
    »Natürlich nicht«, flüsterte sie. »Aber ich bin lieber auf einem Schiff mit einem Mann, den ich kenne, als hier verhört zu werden. Unsere Geschichte wird man keine Sekunde lang glauben.«
    Sie kletterten die schleimbedeckte Leiter auf das Deck der schmucken weißen Jacht hinab. Die gesamte Besatzung schien aus Chinesen zu bestehen, wie Childress feststellte.
    »Willkommen an Bord«, sagte Wang mit einem Lächeln, das sie als gleichermaßen aufrichtig und betrübt empfand.
    Paolina
    Die Frau, die von einem der Pfade des vergessenen Volks aus dem Dschungel trat, hatte ein sehr merkwürdiges Äußeres. Sie war nicht nur einen Meter achtzig groß und schlank wie ein Junge, auch wies ihre Haut die Farbe polierten Teakholzes auf, was ihrer traurigen Miene einen majestätischen, aber unweiblichen Eindruck verlieh. Sie trug ein wallendes Gewand aus dunklem Burgunderrot, Braun und Kastanienbraun, dessen zahlreiche Lagen so geschickt übereinanderlagen, dass Paolinas Auge keine Konturen erkennen konnte. Die Handgelenke des Neuankömmlings waren mit so vielen Kupferarmbändern umgeben, dass sie genauso gut als Armschienen dienen mochten, und am Hals trug sie ähnlichen Schmuck. Weiße Punkte bedeckten ihr gesamtes Gesicht, während Kaurischneckenschalen so in ihren Augenwinkeln angebracht

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